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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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erschüttert stehen. Sie hatte geahnt, dass die Kinder tot sein würden; es jedoch mit eigenen Augen zu sehen war mehr, als sie ertragen konnte. Immerhin, der Tod musste schnell gekommen sein. Die Kinder waren dort zusammengesunken, wo sie gesessen hatten, und lagen wie schlafend am Boden. Einige hielten die Flechtmatten noch in den Händen. Nur Minou, die Kleinste, hatte sich in die Arme eines älteren Mädchens geflüchtet. Ihre Augen waren weit aufgerissen und zeugten von der Furcht, die sie mit ihren letzten qualvollen Atemzügen durchlitten haben musste.
    Der Anblick brach Kaori fast das Herz. Ich bin schuld, dachte sie kummervoll. Ich bin schuld daran, dass sie gestorben sind, denn ich habe ihnen gesagt, dass sie hier auf mich warten sollen. Sie waren so brav und haben getan, was ich verlangt habe, aber bei den Göttern, um welchen Preis?
    Kaori wollte weinen, doch sie hatte keine Tränen. So kniete sie nieder und hob die Hand, um Minou die Augen zu schließen. Als sie das bleiche Gesicht des Mädchens berührte, glitt ihre Hand mitten hindurch.
    Bei den Göttern! Erschrocken zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Sie wartete einen Augenblick und versuchte es erneut. Das Ergebnis blieb dasselbe. Die Finger trafen auf keinen Widerstand. Kaori starrte ihre Hand an, als gehöre sie einer Fremden. Sie hatte eine wächserne Farbe und war so durchscheinend, dass sie den Waldboden darunter erkennen konnte.
    … wie eine Geisterhand. Kaori atmete schwer. Zumindest fühlte es sich so an, als ob sie schwer atmen würde, denn als sie in sich hineinspürte, erkannte sie, dass sie in Wirklichkeit gar nicht atmete.
    Was ist mit mir? Die Frage drängte sich ihr auf, obwohl sie überflüssig war. Die durchscheinende, bleiche Hand, der ausbleibende Atem und die Tatsache, dass sie sich selbst am Boden hatte liegen sehen, ließen nur einen Schluss zu: Sie war tot!
    Tot! Die Erkenntnis war so ungeheuerlich, dass ihr Verstand sich weigerte, sie anzunehmen . Ich bin nicht tot, dachte sie. Ich … ich kann nicht tot sein. Ich bin doch hier! Hier!
    Wild um sich greifend, versuchte Kaori etwas zu fassen zu bekommen, aber weder Stöcke noch Steine oder Blätter wollten sich dem zupackenden Griff ihrer Hände ergeben. Es war, als sei sie selbst zu einem Teil des allgegenwärtigen Nebels geworden.
    Tot … Geister … Nebel … verloren … vergessen … ver…
    Halt! Kaori zwang sich zur Ruhe. Sie musste nachdenken. Irgendetwas war mit ihr passiert, nachdem sie den Strand erreicht hatte und von dem Nebel eingehüllt worden war. Eingehüllt … Es war geradezu lächerlich zu glauben, dass der Nebel sie nicht getötet hatte. Sie war ein Lebewesen wie alle anderen auch und hatte dem Gift nichts entgegenzusetzen gehabt.
    Aber wenn ich hier bin, wo sind dann die anderen? Aufgebracht schaute sie sich um.
    Hunderte mussten gestorben sein, denen es vermutlich wie ihr erging. Verlorene Seelen, die nun auf der Suche nach Freunden oder Familienangehörigen auf der Insel umherirrten oder nach etwas suchten, das ihnen Halt geben konnte. Doch vergeblich, sie konnte niemanden sehen. Sie war allein.
    Vielleicht sind sie woanders.
    Der Gedanke machte ihr Mut. Sie erhob sich, streifte eine Weile im Wald umher und gelangte schließlich zum Dorf. Sosehr sie sich mühte, nirgends fand sie einen Hinweis darauf, dass noch andere ihr Schicksal teilten. Schließlich gab sie die Suche auf und ging hinunter zum Strand. Hier brachen sich die Wellen im seichten Wasser, als sei alles wie zuvor, doch sie führten die Zeugnisse des großen Sterbens unverkennbar mit sich. Tote Fische, Schildkröten und Seevögel wurden von der Brandung am Strand zu einer dunklen Linie angehäuft, die sich irgendwo in der Ferne im Nebel verlor.
    Kaori stieg über die nassen Kadaver hinweg und ging so weit ins Meer hinaus, bis ihr das Wasser bis zum Knie reichte. Sie spürte weder den Sand unter den bloßen Füßen noch die Kühle des Wassers auf der Haut. Als sie an sich herunterblickte, verwunderte es sie nicht zu sehen, dass die Wellen durch ihre Beine hindurchrollten, als gäbe es sie gar nicht.
    Weil ich tot bin! Der Anblick des Wassers unter ihr löschte die letzten Zweifel aus. Warum ich? Warum?, fragte sie sich.
    Und plötzlich wusste sie es. Ohne dass sie etwas dazu tun musste, tauchten vor ihrem geistigen Auge Bilder auf. Bilder von grauen Gestalten in einer grauen Welt, die sich langsam auf ein helles Licht zubewegten, während in ihrem Kopf eine körperlose

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