Kristall der Macht
erreichen, da sie weder über Boote verfügen noch genügend Holz haben, um eine neue Brücke zu errichten. Dennoch sollten wir nicht den Fehler machen, uns in Sicherheit zu wiegen. Die Rakschun werden alles daransetzen, auch dieses letzte Hindernis zu überwinden. Wir täten gut daran, uns rechtzeitig für den Fall zu rüsten, da sie sich anschicken, den Fluss zu überqueren.«
»Ihr hättet gut daran getan, die Festung zu halten.« Die Faust des Königs fuhr krachend auf die Tischplatte nieder. »Die Festung sicherte den Zugang zu den Erzvorräten in den Bergen. Jetzt ist sie verloren, weil mein schwachköpfiger Sohn nicht willens war, sie zu halten. Ohne Erz keine Waffen. Ohne Waffen kein Heer. So einfach ist das.«
»Wir könnten versuchen, Erz auf dem Seeweg …«
»Nein!« Wieder ließ der König Triffin nicht ausreden. »König Erell von Osmun und Königin Viliana von Hanter werden angesichts des zermürbenden Krieges schon jetzt nicht müde, mir immer wieder ihre Hilfe anzubieten. Ein Angebot, das ich bisher immer ausschlagen konnte, da Baha-Uddin über genügend Erzvorräte verfügte. Wenn Erell und Viliana erfahren, dass die Festung gefallen ist, werden sie gute Geschäfte wittern und sich für ihre Erze königlich bezahlen lassen. Die warten nur darauf, dass ich bei ihnen anklopfe. Aber nicht mit mir!« Er spie auf den Boden und schaute Triffin aufgebracht an. »Wenn diese Blutsauger glauben, sich an der Niederlage vom Gonwe bereichern zu können, haben sie sich getäuscht. Lieber lasse ich alle Kessel, Spitzhacken und Kunstgegenstände Baha-Uddins einschmelzen und daraus Waffen fertigen, als von denen Erz zu kaufen.«
Triffin schwieg. Die große Politik war nicht seine Sache, obwohl auch er wusste, dass König Azenor kein gutes Verhältnis zu den Nachbarländern pflegte. Seine Sorge galt vielmehr der Bevölkerung Baha-Uddins, die vor den Rakschun zu schützen er geschworen hatte.
»Wie lange?« Die Frage des Königs überraschte Triffin.
»Verzeiht, ich verstehe nicht.«
»Wie lange wird es dauern, bis die Rakschun Boote oder eine Brücke gebaut haben?«
»Ein Jahr, vielleicht mehr, vielleicht weniger. Das ist schwer zu sagen. Die Wälder, die ihnen Holz liefern können, liegen weit im Norden. Der Transport der Stämme wird viel Kraft und Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem verfügen die Rakschun über keinerlei Erfahrung im Boots- und Brückenbau. Rückschläge sind nicht auszuschließen und werden sie zusätzlich aufhalten.«
»Gut.« Dem König schien die vage Auskunft zu genügen. »In den nächsten Tagen werde ich den Kriegsrat über die jüngsten Ereignisse in Kenntnis setzen. Dann werden wir über das weitere Vorgehen beraten.«
* * *
»Komm zurück!« Wütend schlug Kaori mit der Faust gegen den -Felsen, traf jedoch auf keinen Widerstand. Die Hand glitt einfach hindurch. »Verdammt!« Dass es nichts gab, an dem sie ihre Wut auslassen konnte, brachte sie fast zur Raserei. Aufgebracht schwebte sie auf dem Plateau umher und versuchte, ihrer überbordenden Gefühle Herr zu werden, um wieder klar denken zu können.
Noelani muss es wissen, dachte sie bei sich. Sie muss die Wahrheit erfahren, damit das Schreckliche nicht noch einmal geschieht. Aber wie?
Wie?
Wenn der Dämon ihr nicht helfen wollte, musste sie sich selbst auf die Suche nach Antworten begeben, daran führte kein Weg vorbei. Aber wo sollte sie beginnen? Kaori überlegte fieberhaft. Dann fiel ihr etwas ein: Wann immer der Nebel aufzog, trugen die Winde ihn in eine andere Richtung. Nie hat er Nintau erreicht, hatte der Dämon gesagt und ihr damit, ohne es zu ahnen, einen Hinweis gegeben. Wenn der Nebel sich mit dem Wind bewegte, musste sie sich nur in die entgegengesetzte Richtung begeben, um zur Quelle des Nebels zu gelangen.
In Erinnerung an das vergangene Leben glaubte Kaori zu spüren, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte, als sie die Möglichkeit erwog. Die Ernüchterung ließ jedoch nicht lange auf sich warten, denn als sie sich umschaute, erkannte sie, dass sich kein Lüftchen regte. Der Nebel umschloss die Insel wie ein schmutziges Bahrtuch, und nicht die kleinste Bewegung gab Aufschluss darüber, aus welcher Richtung er gekommen war.
»O nein.« Das Hochgefühl wich erneut der Verzweiflung, und wieder begann sie rastlos hin und her zu schweben. Der Nebel war mit dem Wind über das Meer gekommen, so viel wusste sie jetzt. Aber woher? Aus welcher Richtung? Kaori seufzte und versuchte, sich in Erinnerung zu
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