Kristall der Macht
dann eine Spur leiser hinzu: »Es tut mir leid, Majestät. Ich wünschte, Euch bessere Kunde bringen zu können.«
»Dann ist es gelungen, die Festung zu halten?« Nicht das kleinste Zucken im Gesicht des Königs ließ darauf schließen, ob die Nachricht vom Tod seines jüngsten Sohnes ihn berührte. Die Frage stellte er so nüchtern, als erkundige er sich danach, ob die Knappen sein Pferd gesattelt hätten.
»Prinz Kavan starb, um seinen Männern die Flucht über den Fluss zu ermöglichen. Er selbst gab ihnen den Befehl zum Rückzug.« General Triffin schüttelte bedauernd den Kopf. »Das Heer der Rakschun war übermächtig. Wir mussten die Festung aufgeben.«
»Aufgeben?« Mit einer plötzlichen Bewegung, die sein gebrechliches Äußeres Lügen strafte, schoss König Azenor in die Höhe. Die Feder entglitt seinen Händen und hinterließ einen hässlichen Tintenfleck auf dem Pergament, das er gerade studiert hatte, während sein Stuhl polternd nach hinten kippte und von einem eilig herbeigehuschten Knappen nahezu lautlos wieder aufgerichtet wurde. »Er hat die Festung aufgegeben?«, ereiferte sich Azenor, als könne er nicht glauben, was er da hören musste.
»Ja, Majestät.«
»Dieser elende Feigling.« Außer sich vor Wut griff der König nach dem Tintenfass und schleuderte es quer durch den prachtvoll ausgestatteten Audienzsaal. »Wie kann er es wagen, meine Befehle zu missachten?«, rief er aus, Zornesröte im bleichen Gesicht. »Diese verdammte Memme. Ich hatte ihm ausdrücklich befohlen, die Festung um jeden Preis zu halten. Wenn er heimkehrt, werde ich ihm …«
»Kavan ist tot, Euer Majestät«, wagte Triffin zu erinnern.
»Ah ja. Nun, umso besser.« Azenor schnappte nach Luft, zeigte aber keine Spur vor Trauer. »Das erspart mir die Schande, meinem unfähigen Sprössling noch einmal gegenübertreten zu müssen«, giftete er. »Tot kann er wenigstens keinen Schaden mehr anrichten.«
»Aber er …« Triffin war fassungslos. Wie alle im Land wusste auch er, dass Azenor seinen Erstgeborenen Prinz Marnek immer bevorzugt hatte. Dass er aber selbst im Tode nur Verachtung für den Prinzen übrig hatte, hätte Triffin nicht erwartet.
»Er ist tot. Ich weiß, ich weiß.« Azenor ließ ihn nicht ausreden. »Das ändert nichts daran, dass er sich meinen Befehlen widersetzt und feige zugelassen hat, dass die Rakschun die Festung zerstören, die sein Bruder all die Jahre erfolgreich verteidigt hat.«
»Es war der richtige Weg. Sonst …«
»Schweig!« Azenors Stimme schnitt wie ein Peitschenhieb durch die Luft. »Richtig wäre es gewesen, die Brücke zu zerstören und so lange zu kämpfen, bis auch der letzte Krieger kein Schwert mehr halten kann. Welch ein ruhmvoller Tod ist es zu wissen, dass man Hunderte Feinde mit sich genommen und den Rakschun bis zum letzten Atemzug empfindliche Verluste zugefügt hat. Nur dem Mutigen wird Ehre zuteil. Wahre Helden werden nicht vergessen. Kavan aber hat sein Andenken durch Feigheit beschmutzt und sein Land und seinen König verraten. Jede Erinnerung an ihn soll noch heute vernichtet werden. Nie wieder soll sein Name in diesen Hallen erklingen.« Azenor atmete schwer und ließ sich auf seinen Stuhl sinken. »Mein eigen Fleisch und Blut hat Schande über mich gebracht«, fuhr er etwas leiser fort und klagte voller Selbstmitleid: »Ihr Götter, was habe ich nur getan, mit einem solchen Sohn gestraft zu werden?« Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein, denn er nahm die Feder wieder zur Hand, tunkte sie in das neue Tintenfass, das ihm sein aufmerksamer Knappe reichte, und widmete sich wieder den Pergamenten, als sei nichts weiter geschehen.
Triffin wartete. Das Verhalten des Königs verwirrte ihn, er war aber auch erleichtert. Azenors Wut hatte sich wie erhofft gegen Kavan gerichtet. Nichts deutete darauf hin, dass der König an seinen Worten zweifelte. Aber er war noch nicht fertig. »Mein König?«, wagte er nach einer kurzen Zeit des Schweigens zu sagen.
»Was noch?« Der barsche Tonfall des Regenten ließ keinen Zweifel daran, dass die Wut immer noch in ihm gärte.
Triffin räusperte sich. »Die Festung liegt in Schutt und Asche, die Brücke über den Gonwe gibt es nicht mehr«, sagte er knapp und fügte eilig hinzu: »Aber es gibt auch gute Nachrichten. Die Sprengung der Brücke hat den Rakschun gewaltige Verluste zugefügt und verschafft uns genügend Zeit, unsere Truppen neu auszurüsten und aufzustocken.
Die Rakschun können Baha-Uddin zudem nicht
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