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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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würde sie ihr Volk nicht enttäuschen.
    »Land in Sicht! Land! Es ist Land zu sehen!«
    Die schrille, sich überschlagende Stimme eines Jungen, der in den Laderaum stürmte, schreckte Noelani aus ihren Gedanken auf.
    Land!
    Noelani horchte auf. Sie hatte nicht zu hoffen gewagt, dass die Reise schon so bald enden würde. Offenbar hatte die Kursänderung des Kapitäns, der am Abend eingewilligt hatte, sie an einem unbewohnten Küstenabschnitt einen halben Tagesmarsch von der Hauptstadt von Baha-Uddin entfernt an Land zu setzen, auch noch andere Vorteile.
    Sie setzte sich auf, fasste Jamak an der Schulter und rüttelte ihn. Es war, wie sie befürchtet hatte: Ihr väterlicher Freund und Vertrauter schlief, Gestank und hartem Boden zum Trotz, so tief und fest wie ein Baumbrüller, den selbst Sturm und Regen nicht zu wecken vermochten. Seine einzige Reaktion war ein unwilliges Murren. Dann drehte er sich auf die andere Seite.
    Und er glaubt wirklich daran, mich beschützen zu können. Ein dünnes Lächeln voller Zuneigung umspielte Noelanis Mundwinkel. Fast tat es ihr leid, Jamak aus den Träumen zu reißen, aber nahezu alle hatten sich schon erhoben und strebten dem Ausgang zu, um den Augenblick der Ankunft mitzuerleben. Da konnte sie ihn unmöglich schlafen lassen.
    »Wach auf, Jamak!«, sagte sie nachdrücklich und rüttelte noch stärker an seiner Schulter. »Jetzt wach schon auf! Wir sind bald da.«
    »Wo?« Diesmal schienen ihre Worte tatsächlich bis in Jamaks Bewusstsein vorgedrungen zu sein, denn er drehte sich zu ihr um und blinzelte. »Es ist Land in Sicht«, wiederholte Noelani die Botschaft des Jungen und deutete nach rechts, wo sich die Menschen gerade durch den Ausgang zwängten, um an Deck zu gelangen.
    »Land? Wirklich? So bald schon?« Jamak richtete sich zum Sitzen auf, gähnte und rieb sich die Augen. Eine Angewohnheit, die Noelani schon als kleines Mädchen jeden Morgen bei ihm beobachtet hatte. »Es wird uns allen guttun, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben«, sagte sie.
    Jamak seufzte. »Festen Boden schon. Aber auch sicheren?«
    »Sicherer als der Boden von Nintau auf jeden Fall.« Noelani gab sich zuversichtlich. Nach allem, was ihnen bisher widerfahren war, hatte sie sich ein wenig Glück wahrlich verdient.
    »Hoffentlich sehen die Götter das auch so.«
    »Das müssen sie. Wir haben schon genug Opfer gebracht.« Noelani erhob sich und reichte Jamak die Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen. »Jetzt komm. Oder willst du dir den ersten Blick auf unsere neue Heimat als Einziger entgehen lassen?«
    »Nein!« Jamak lachte. Ein wenig unbeholfen kam er auf die Füße, schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, das will ich auf keinen Fall.«
     
    *  *  *
    Eine fremde Küste hatte Kaori schon einmal erkundet, ein halbes Jahr zuvor, als sie nach einer neuen Heimat für das Volk von Nintau gesucht hatte, eine fremde Stadt noch nie.
    Nachdem Noelani mit dem Kapitän gesprochen hatte und feststand, wo die Flüchtlinge an Land gehen würden, hatte sie sich auf den Weg gemacht, um zu erfahren, was die letzten Überlebenden ihres Volkes in der neuen Heimat erwarten würde. In Windeseile hatte sie das Meer überquert und im ersten Licht des Morgens die große Siedlung erreicht, die nur die Hauptstadt von Baha-Uddin sein konnte. In der Mitte der Stadt, die von einer hohen Festungsmauer mit Wehrgängen umschlossen war, verlief noch eine zweite Mauer, die ein Gelände mit einem prächtigen Gebäude, freien Plätzen und allerlei kleineren Bauwerken umschloss. Wer immer darin wohnte, musste sehr einflussreich sein. Vielleicht ein König oder ein anderer mächtiger Herrscher.
    Vor dieser inneren Mauer drängten sich Häuser mit roten -Schindeldächern, durchzogen von einem Geflecht von Straßen und schmalen Gassen, die von oben wie ein filigranes Spinnennetz anmuteten. Auf einem großen freien Platz waren trotz der frühen Stunde schon viele Menschen zu sehen. Das Durcheinander von Waren, Karren, Menschen und Tieren schien ganz offensichtlich einem vorbestimmten Muster zu folgen, denn die Leute bewegten sich zielstrebig und schienen genau zu wissen, was sie zu tun hatten.
    Die Häuser nahe dem äußeren Festungsring wirkten weit weniger prächtig und baufälliger als die Häuser in der Stadtmitte. Vor Regen schützte Stroh; Schindeln suchte man hier vergebens. Zweifellos lebten hier Menschen, die nicht so wohlhabend waren.
    Das schlimmste Elend aber fand Kaori außerhalb der Stadtmauern vor. Auf einem

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