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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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hören, wie sie sich Vorwürfe machte und mit Schuldgefühlen plagte, war für sie nur schwer zu ertragen. Aber sie konnte nichts für Noelani tun. Gefangen in einer Sphäre, die ihr zwar einen Blick in die Welt der Lebenden erlaubte, es ihr aber versagte, helfend einzugreifen, war sie nicht mehr als ein Zuschauer, solange Noelani sie nicht mithilfe der Geistreise aufsuchte.
    Nachdenklich schwebte Kaori zwischen den Flüchtlingen umher. Was sie sah, beunruhigte sie. Alle waren erschöpft und froh, dem Ozean entkommen zu sein, aber es gab auch erschreckend viele Verletzte und einige wenige, die wirkten, als hätten sie im Wüten der Naturgewalten den Verstand verloren.
    Allen gemein war die Armut. Sie hatten nur das retten können, was sie am Leib trugen. Alle Tauschwaren, Münzen und sonstigen Wertgegenstände, die man auf die Boote verladen hatte, um sich in der neuen Heimat ein wenig Wohlstand zu erkaufen, lagen nun auf dem Meeresgrund oder wurden von Wind und Strömung in alle Himmelsrichtungen verstreut. Diese Menschen hatten nichts. Ihr Leben war gerettet worden, aber bei den Göttern, um welchen Preis?
    Ich muss ihnen helfen. Der Gedanke ging Kaori nicht aus dem Sinn. Aber wie sie es auch drehte und wendete, sie wusste beim besten Willen nicht, wie eine Hilfe aussehen könnte. Ratlos schwebte sie zu Noelani und Jamak hinüber, die dicht beieinandersaßen und leise miteinander redeten.
    »Du meinst, er läuft einfach einen Hafen an, lässt uns an Land gehen und fährt davon?«, fragte Noelani gerade.
    »So hat es sich zumindest angehört.« Jamak nickte.
    »Aber was dann?« Noelani runzelte die Stirn. »In einem Hafen sind sicher viele Menschen. Anders als der Kapitän werden sie sofort erkennen, dass wir nicht zu ihnen gehören. Und dann? Was, wenn sie uns feindlich gesinnt sind? Wenn sie uns angreifen? Wir können uns nicht gegen sie wehren.« Sie überlegte kurz und fasste einen Entschluss. »Ich werde zum Kapitän gehen und ihm alles erklären«, sagte sie bestimmt. »Er muss wissen, dass wir nicht die sind, für die er uns hält. Damit …«
    »Damit was?«, fiel Jamak ihr ins Wort. »Damit er uns auch dort nicht an Land lässt? Wir sind Flüchtlinge, Noelani. Und Flüchtlinge sind dort, wo er herkommt, nicht mehr erwünscht. Das hat er uns klar gesagt. Es spielt keine Rolle, woher wir kommen.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn du meine Meinung hören willst, wird es uns keinen Vorteil bringen, ihm die Wahrheit zu sagen. Im Gegenteil, es würde für ihn alles nur noch schwieriger machen. Und das hat er nicht verdient. Er ist ein guter Mann.«
    »Du hast recht.« Noelani, die sich schon erhoben hatte, setzte sich wieder. »Das war kein guter Gedanke. Es ist nur … Die Vorstellung, dass wir mitten in einem fremden Hafen unter wildfremden Menschen ausgesetzt werden, gefällt mir gar nicht. Lieber wäre mir eine abgelegene Bucht, von der aus wir die Gegend in Ruhe erkunden können und vielleicht auch Gelegenheit haben, die Bewohner kennenzulernen, ohne sie gleich zu überfallen.«
    »Dann solltest du dem Kapitän genau das sagen.« Jamak nickte. »Ich bin sicher, du bist hier nicht die Einzige, die eine abgelegene Bucht bevorzugen würde.«
    »Du auch?«
    »Ich ganz besonders.« Jamak lächelte. »Wir haben gewusst, dass es nicht leicht werden wird, in der neuen Heimat Fuß zu fassen«, sagte er. »In einem Land aber, dessen Bewohner offenbar so verzweifelt sind, dass sie selbst über das Meer flüchten, wird es noch schwerer für uns werden.«
    »Vielleicht auch unmöglich?«
    »Das wissen wir spätestens in ein paar Monaten.« Jamak seufzte. »Aber es ist auch nicht wichtig, denn ich fürchte, wir haben keine Wahl.«
    »Nein, die haben wir nicht.« Noelani erhob sich. »Ich werde mit dem Kapitän sprechen und ihn unter einem Vorwand bitten, uns abseits der bewohnten Gebiete an Land zu bringen.« Sie wollte davoneilen, aber Jamak rief sie noch einmal zurück.
    »Noelani?«
    »Ja?«
    »Vergiss nicht, wir sind das, was er in uns zu sehen glaubt.«
    »Keine Sorge, das vergesse ich nicht.« Mit diesen Worten ging Noelani zur Tür.
    Kaori folgte ihr lautlos. Nur die Schlafenden spürten ihre Nähe und zogen sich die Decken enger um den Körper, als sie vorbeischwebte. Sie hatte dem Gespräch aufmerksam gelauscht und herausgefunden, wie sie den Flüchtlingen helfen konnte. Noelani fürchtete sich ganz offensichtlich vor dem, was sie in dem fremden Land erwartete. Da konnte es nicht schaden, wenn sie sich dort schon

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