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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erzählt, dass er beim Eintritt in die Bruderschaft ein keusches, enthaltsames Leben gelobt hatte, zur Buße, weil er einen Mann getötet hatte. Auf ihrer Reise verbrachten sie nun die Tage und Nächte in großer Nähe, teilten das Essen und das Nachtlager und gaben vor, die Eltern des reizenden kleinen Bulbul zu sein. Erst jetzt wurde Katharina klar, welches Ausmaß Adrianos Gelübde angenommen hatte. Die Tage und Nächte auf einem portugiesischen Schiff und die paar Tage, die sie auf einer Insel gestrandet waren, hatten nicht genügt, um diesen Mann wirklich zu beobachten. Doch hier in der grenzenlosen Wüste unter einem Himmel, der sich in die Ewigkeit ausdehnte, sah Katharina Adriano mit glasklarer Schärfe.
    Und es schien ihr, als sprenge er mit seinem Keuschheits- und Enthaltsamkeitsgelübde alle vernünftigen Grenzen, denn er verzichtete nicht nur auf Fleisch und Wein, sondern überhaupt auf eine ausreichende Menge Nahrung. Er bestrafte sich aber nicht nur durch Hungern, sondern auch durch tägliche Anstrengung über die Erschöpfung hinaus: Er arbeitete und jagte und hackte noch lange Holz, nachdem sich die anderen Männer schon an ihr Lagerfeuer zurückgezogen hatten. Das Verbrechen, das er begangen hatte, lag über zwanzig Jahre zurück (Katharina bezweifelte, dass es überhaupt ein Verbrechen war, denn wer um eine Frau kämpfte, die er liebte, kämpfte doch für seine Rechte, oder?). Hatte er immer noch nicht genug gebüßt? Oder - und dieser Verdacht wuchs mit jeder zurückgelegten Meile – steckte etwa mehr hinter seiner Geschichte, als er bisher enthüllt hatte? Sie merkte, dass ihre dauernde Beschäftigung mit Adriano das Hauptziel ihres Lebens in den Hintergrund drängte: die Suche nach ihrem Vater. Und so musste sie immer öfter das Porträt der heiligen Amelia herausziehen, damit es sie daran erinnerte. Wie eine fromme Seele, die mit dem aufrichtigen Wunsch in der Kirche kniet, voller Inbrunst zu Gott zu beten, deren sprunghafte Gedanken aber durch die Buntglasscheiben hinaus auf die Margeritenwiese wandern, so brauchte auch Katharina immer mehr Willenskraft, um ihr Herz auf Kurs zu halten. Es war ihr zum Ritual geworden, dass sie Abend für Abend das Miniaturgemälde ans Licht holte, sich in den blauen Kristall versenkte und stumm die Litanei vor sich hin sprach: Dort liegt mein Schicksal.
    Sobald sie Bulbul der Sippe Asmahans übergeben hätte, würde Katharina kehrtmachen und in Richtung Jerusalem ziehen, nach dem blauen Kristall suchen und ihren Vater finden. Und Adriano musste dem Weg folgen, den seine Sterne ihm wiesen.
    Die Karawane war wie ein lebendiges, sich ständig veränderndes Wesen: Einzelne Reisende oder ganze Gruppen verließen sie oder kamen hinzu, sodass sie schlangengleich anschwoll oder dünner wurde, während sie durch die Wüste, durch Steppen oder durch grünes Hügelland glitt. Katharina und Adriano waren nun ganz und gar in ihre fremde Haut geschlüpft und fühlten sich so weit östlich von Konstantinopel vor Entdeckung sicher, schlossen Freundschaft mit Neuankömmlingen, teilten Feuer und Essen und verabschiedeten sich wieder, offen für neue Bekanntschaften. Während sie weiter nach Osten zogen, stießen sie langsam auf Sprachschwierigkeiten, denn sie begegneten neuen Dialekten und Varianten von Sprachen, mit denen sie vertraut zu sein glaubten. Mit ihrem Arabisch konnte sich Katharina immer schlechter verständigen, und auch Adrianos Griechisch half nicht mehr weiter. Obwohl das Lateinische über tausend Jahre lang in den Osten getragen worden war, fanden es Katharina und Adriano immer schwieriger, die Leute zu verstehen, da sich die alte Sprache gewandelt und den regionalen Gegebenheiten angepasst hatte. Dennoch verstand man einander, die Kommunikation verlegte sich mehr auf Gesten, Mimik und bedeutungsvolle Blicke. Und das genügte, wie die beiden allmählich feststellten, während sie Tage und Nächte gemeinsam verbrachten.
    In Nordpersien machte die Karawane in einem kleinen Tal zwischen zwei felsigen Gebirgsketten Halt, an einem sonderbaren Fluss, an dessen Ufern kein Grün wuchs. Alles hier war kahl und felsig, doch das Wasser war warm und zum Erstaunen aller von einer hellgrünen Farbe. Dies läge an Mineralstoffvorkommen im Quellgebiet, erklärte der Führer der Karawane, ihnen verdanke das Wasser sein bemerkenswertes Smaragdgrün. Doch es war trinkbar, manche behaupteten sogar, es wäre gesund. Und so errichteten sie neben dem Smaragdfluss ihr Lager, tausend

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