Kristall der Träume
Zelte und hundert Lagerfeuer, die im Mondlicht flackerten.
Katharina freute sich über die Gelegenheit, endlich einmal ihre Haare gründlich zu waschen. In den letzten Wochen war das Wasser knapp gewesen. Um ihre Haare dennoch sauber zu halten, hatte Katharina einen Trick der Beduinen angewandt: Deren Frauen rieben sich die Haare mit einer Mischung aus Asche und Natron ein und kämmten sie dann stundenlang durch. Durch diese Behandlung konnte Katharina die dunkle Färbung ihres Schopfes nicht beseitigen. Aber jetzt hatte sie richtige Seife zur Verfügung, schäumte und schrubbte und massierte und spülte sich die Haare gründlich durch, und das nicht nur einmal. Als sie fertig war und ihre Haare im Wind trocknete, der die goldene Mähne flattern ließ, erstrahlte sie in einer so verblüffenden Schönheit, dass jeder Vorübergehende stehen blieb und sie anstarrte. Am allermeisten Adriano.
An diesem Abend, an dem das Mondlicht alles mit einem sanften Schimmer übergoss, schenkte Katharina Adriano den neuen Mantel, den sie für ihn bestickt hatte, und er war so tief bewegt, dass er keine Worte fand. Jetzt hatte er das Emblem wieder, das sein Leben mit Sinn erfüllte: das Marienkreuz. Jetzt spiegelte sich seine Würde auch in seiner Kleidung wider, sichtbares Zeichen seines ergebenen Dienstes an der Heiligen Jungfrau.
Und hier, unter dem Sternenhimmel, erzählte Adriano Katharina schließlich seine ganze Geschichte.
Sie wusste bereits, dass er vor zwanzig Jahren in Aragon eine Frau namens Maria leidenschaftlich geliebt hatte, dass er sie heiraten wollte, sie ihm aber gestand, sie liebe einen anderen. In seiner grenzenlosen Wut forderte Adriano den anderen zum Duell. Es kam zum Kampf. Adriano erschlug den Rivalen, Maria zog sich in ihrer Trauer ins Kloster zurück. So weit waren Katharina die Ereignisse bekannt. Doch in dieser Nacht, in der der Mond rund und feierlich am Himmel stand und der Samaragdfluss leise in seinem steinigen Bett dahinplätscherte, teilte Adriano mit Katharina endlich den ganzen Schmerz, der ihn jeden Tag seines Lebens aufs Neue peinigte. »Ich wusste es«, sagte er leise und zog sich seinen Umhang enger um die Schultern, »tief im Inneren wusste ich, dass Maria mich nicht liebte. Doch aus Stolz und Überheblichkeit wollte ich es nicht wahrhaben. Ich glaubte, ich könnte sie mit der Zeit schon dazu bringen, mich zu lieben. Aber der andere… wäre es irgendein anderer Mann gewesen, wäre ich vielleicht darüber hinweggegangen.
Ich hätte so getan, als bemerkte ich nichts, und darauf gewartet, dass Maria von selbst zu mir zurückkäme. Aber der andere… war mein Bruder. Und das konnte ich nicht ertragen.«
Er heftete seinen gequälten Blick auf Katharina. »Ja, der Rivale, den ich umgebracht habe, war mein Bruder. Ich habe ihn aus blinder Eifersucht erschlagen, er hatte mir nichts getan, er war völlig unschuldig. Ich habe kein Recht auf Glück, Katharina. Ich habe kein Recht darauf, dich zu lieben oder von dir geliebt zu werden.«
Bitteres Schluchzen schüttelte seine Gestalt. Katharina legte die Arme um ihn, er begrub das Gesicht in ihren duftenden goldenen Haaren und spürte, wie sich ihr warmer, junger Körper an ihn drängte, spürte ihre Lippen auf seinen Wangen und auf seinem Hals.
Ihre Tränen mischten sich mit den seinen, bis schließlich seine Lippen auf den ihren lagen. Und unter dem Umhang mit dem blauen Kreuz fanden sie endlich Trost in der Liebe.
Als sie später aufwachten, nahm Adriano Katharina an der Hand und führte sie ans Ufer des Smaragdflusses. Dort rammte er sein Schwert in den Boden, die schöne, vergoldete Waffe, die Asmahan ihm zum Schutz ihres Sohnes geschenkt hatte. Vor diesem Schwert knieten er und Katharina nieder wie vor einem Kreuz. Er nahm ihre Hand in die seine und sagte: »Auch hier, weit weg von Priestern und Kirchen, können Gott, die Heilige Jungfrau und alle Heiligen uns sehen. Im Angesicht all dieser Zeugen erkläre ich dich, meine geliebte Katharina, zu meiner Frau. Ich will dein Mann sein und verpflichte mich dir mit Leib und Seele, mit meiner ganzen Liebe und Ergebenheit, für den Rest meines Lebens und auch nach dem Tode, wenn wir im Himmel vereint sind.«
Katharina sprach denselben Schwur und wusste, dass, was auch die Zukunft bringen mochte, Adriano und sie auf immer verbunden sein würden.
Sie verbrachten eine Liebeswoche als Mann und Frau, fragten sich beide, womit sie ein solches Glück verdient hatten, und nahmen sich vor, als
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