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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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ihn erschrecken, aber er tut Euch nichts.«
    »Wem wollt Ihr mich denn vorstellen?«
    »Meinem Sohn, dem Kronprinzen von Zhandu.« Katharina war fassungslos. Niemand hatte ihr gegenüber je einen Prinzen oder Thronerben erwähnt. Ihre Überraschung nahm noch zu, als sie zwei weitere verschlossene und bewachte Tore passierte und dann in den ungewöhnlichsten Raum eintrat, den sie jemals gesehen hatte.
    Er war von riesenhaften Ausmaßen, aber völlig fensterlos, kein Sonnenstrahl drang herein. Stattdessen wurde er von hundert Kronleuchtern erhellt, zahllose Kerzen brannten in Leuchtern entlang der Wände. Über dem Raum wölbte sich eine himmelblau gestrichene Kuppel, die mit weißen Wolken bemalt war; mitten im Boden war ein großer Teich eingelassen, in dem Goldfische schwammen und wo im Schilf sogar ein majestätischer weißer Reiher herumwatete. In großen Kübeln wuchsen Bäume, am Teichrand gediehen Büsche und Blumen aller Art, hier und da gab es Grasflächen. Pfade aus Steinplatten schlängelten sich durch die künstliche Landschaft, durch die Sommerrose sie führte. Katharina traute ihren Augen nicht: Gazellen grasten zwischen den Büschen, sie schrak zusammen, als dicht neben ihr ein Vogel aufflog. Es entstand tatsächlich der Eindruck, man befände sich im Freien; aus irgendeinem unerklärlichen Grund hatte man die Außenwelt nach innen verfrachtet. Sie näherten sich einem zierlichen Pavillon, wie es sie auch in den Gärten draußen gab; heller Lichtschein ging von ihm aus. »Bleibt ganz ruhig«, sagte Sommerrose. »Er jagt den Leuten zuerst Angst ein. Aber ich versichere Euch, er ist völlig harmlos.«
    Katharina fragte sich, ob der Kronprinz hier in einer Art Gefängnis eingesperrt war, fern von der Sonne und den Augen seiner Untertanen, und welches Verbrechen er begangen haben mochte. Sie umschloss Adrianas Hand noch fester. Hätte sie ihre kleine Tochter nicht doch lieber in ihren Räumen lassen sollen? Sein Name sei Lo-Tan, erklärte Sommerrose weiter, was soviel bedeutete wie »Wilder Drache«, und jeden Abend, wenn Katharina ihre Geschichten erzählte, saß er hinter einem Paravent verborgen und hörte ihr zu.
    Und jetzt hatte er den Wunsch geäußert, die Erzählerin persönlich kennen zu lernen.
    Ihr Sohn war auch der Grund, warum Katharina nach Zhandu gebracht worden war, denn der Himmlische Herrscher hatte eine Proklamation aussenden lassen, um für den Thronerben eine passende Gemahlin zu finden, die einer bestimmten Beschreibung entsprechen musste. Und als Lo-Tan erschien, begriff Katharina sogleich, warum Sommerrose sie abgelehnt hatte. Denn mochte sie auch blond und hellhäutig sein, so weiß wie dieser junge Mann war sie nicht, dem jede Farbe fehlte – offenbar ein Albino, von deren Existenz Katharina bereits gehört hatte.
    War ihm sein Name in der Hoffnung gegeben worden, er würde zu einem wilden Drachen heranwachsen? Auf Katharina wirkte er wie eine Taube, eine schneeweiße Taube mit makellosem Gefieder, weich und sanft. Seine Augen faszinierten sie, rote Pupillen mit rot gerändeter Iris. Sie ruhten vertrauensvoll auf ihr, sein Lächeln war freundlich und entwaffnend.
    Bevor Katharina seinen leisen Gruß erwidern konnte, riss sich Adriana von ihrer Mutter los, aber statt davonzurennen, wie Sommerrose befürchtet hatte, lief sie auf den Prinzen zu, zupfte ihn an seiner gelben Seidenhose und fragte: »Bist du ein Kaninchen?«
    »Adriana!«, tadelte Katharina.
    Doch der Prinz lachte nur. Er ließ sich auf ein Knie nieder und antwortete der Vierjährigen: »Sehe ich denn so aus?« Adriana runzelte die Stirn. »Na ja, die richtigen Ohren hast du nicht.«
    Er grinste. »Weil ich sie nicht immer aufsetze.« Adrianas Gesichtchen leuchtete auf. »Wirklich? Und wo hebst du sie auf?«
    Lo-Tan erhob sich wieder und bat Katharina mit einer Stimme, die so weich war wie ein Wattewölkchen: »Würde mir die junge Dame die Ehre erweisen, mir eine Geschichte zu erzählen?«
    Katharina errötete und antwortete: »Die Ehre wäre ganz meinerseits.« Da lächelte Sommerrose unter Tränen der Erleichterung und der Dankbarkeit.
    Katharina und Adriana verbrachten ganze Nachmittage in dem bezaubernden Garten unter der Kuppel, entdeckten Teiche und Wasserfälle, frei fliegende Vögel, zahmes Wild. Weil die königlichen Leibärzte davor gewarnt hatten, Sonnenlicht könnte Lo-Tan krank machen oder sogar töten, verließ der Prinz niemals sein künstliches Reich. Katharina machte das nichts aus, weil sie in seiner

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