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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Entschluss, Emmeline mitzunehmen, sogar die Feuerprobe für ihn gewesen, denn dieser Entschluss hatte ihn bei seinen Mitreisenden nicht sonderlich beliebt gemacht.
    Emmelines Interesse war geweckt. »Und der Wunderstein lenkt Sie tatsächlich?«
    »Ohne ihn wäre ich verloren. Manchmal glaube ich«, fuhr er verschämt fort, »dass ich ein Feigling bin. Ich scheine keine Entscheidungen für mich selbst treffen zu können.«
    »Sie sind einfach nur vorsichtig, Dr. Lively«, beschwichtigte Emmeline. »Mein Problem ist, dass ich zu kühn bin. Nichts schreckt mich. Und das bringt mich manches Mal in Unannehmlichkeiten.«
    Sie zog sich die Haube vom Kopf und ließ die Haare frei im Wind wehen. »Sie wissen gar nicht, was für ein Glück Sie haben, ein Mann zu sein. Sie können ohne Einschränkungen jeden Beruf wählen, der Ihnen vorschwebt. Ich wollte Ärztin werden, aber das ging nicht, weil ich eine Frau bin. Das ist ungerecht. Deswegen ziehe ich nach Westen. Dort draußen ist man toleranter. Dort ist fürwahr ein freies Land. In unserer Nation weht ein neuer Geist, die Frauen wachen allmählich auf. Ich habe in Seneca Falls an einem wunderbaren Kongress teilgenommen, bei dem es um die Benachteiligung der Frauen ging, und am Ende haben wir eine Erklärung zum Thema gleiches Wahlrecht für Frauen, gleiche Löhne für gleiche Arbeit und unser Selbstbestimmungsrecht verabschiedet. Wir Frauen machen mobil, Dr. Lively. «
    Matthew rutschte unruhig auf seinem Sitz herum. Miss Fitzsimmons’ radikale Weltanschauung war ihm bestens vertraut. In relativ kurzer Zeit auf dem Trail hatte Emmeline schon mehrere Heiratsanträge bekommen – von jedem der Schumann-Brüder (mit Mr. Hopkins als Dolmetscher), von Sean Flaherty, der darauf hinwies, dass er einmal die größte Kartoffelfarm in ganz Oregon besitzen würde; vom jungen Dickie O’Ross, der seinen Heiratsantrag im Stimmbruch artikulierte. Emmeline hatte sie jedoch alle abgewiesen, wobei sie immer darauf bestand, dass es nicht an den Bewerbern selbst läge, nur dass sie eben nicht zu heiraten beabsichtige. Sie erläuterte jedem, der ihr zuhörte, dass sie nicht die Absicht habe, sich von einer von der Kirche und der Gesellschaft geschaffenen Institution an die Kette legen zu lassen, und wenn sie Kinder wollte, würde sie diese auch ohne einen Ehemann bekommen. Die Frauen in der Wagenkolonne, aus einfachen Verhältnissen, Bauersleute oder aus der Provinz, die noch nie in ihrem Leben mit solch radikalen Ansichten in Berührung gekommen waren, geschweige denn Mary Shelleys emanzipatorische Schriften gelesen hatten, hielten Emmeline entweder für zu jung für derartige Ideen oder einfach nur für leicht verrückt (obwohl so manche unter ihnen sie um ihre Geistesfreiheit beneidete und ihr alles Gute wünschte). Matthew wiederum kannte Frauen wie Miss Fitzsimmons zur Genüge aus Boston, sie nannten sich »Feministinnen« und hatten ihn stets verunsichert. Wie sehnte er sich doch nach seiner ruhigen, blassen, zerbrechlichen Honoria, die kaum jemals sprach und gewiss keinerlei politische Gedanken in ihrem zarten Köpfchen hegte. Jede Nacht, wenn das Lager schlief und er im Stillen versuchte, im Wunderstein den Lenkenden Geist zu finden, den seine Mutter (wenn auch nicht immer mit Erfolg) zu suchen pflegte, nahm er die Daguerrotypie seiner Honoria zur Hand, so schmal, so hohläugig, dass sie ganz ätherisch wirkte: die wunderschöne, ausgezehrte Ligeia von Edgar Allen Poe.
    »Was halten Sie von Anästhesie?« Emmeline hatte das Thema so abrupt gewechselt, dass sie Matthew geradezu überrumpelte.
    »Chloroform, Äther«, fügte sie rasch hinzu, ehe er antworten konnte.
    »Das wird die Chirurgie revolutionieren. Mein Vater hat bei der Entfernung eines Brusttumors zugesehen. Die Frau hat die ganze Zeit geschlafen! Und die nächste Revolution wird sein, dass Frauen Ärztinnen werden. Es gibt immer noch zu viele Vorurteile im Osten.
    Im Westen wird alles anders sein.«
    Sie holte kurz Atem und sagte: »Dr. Lively, Sie sollten mehr lächeln.« Und Sie sollten weniger reden, dachte er im Stillen.

    Mit steigender Hitze und immer dichterem Staub wurden die Nerven der Reisenden zunehmend empfindlicher, und die guten Sitten drohten zu verkommen. Um sich die Strapazen etwas zu erleichtern, hatten einige Frauen ihr Korsett weggepackt, auch die mit Blumen geschmückten Hüte wanderten in die Koffer und wurden durch praktische Kattunhauben ersetzt. Und obwohl man inzwischen auf Tischtücher

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