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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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torkelte durch das Lager, stolperte über andere Leute und riss beinahe ein Zelt um, bis sie schließlich in Serophias Hütte wankte.
    »Wir sind doch Cousinen, Serophia! «, heulte sie und schlug sich an die Brust. »Wir sind Blutsverwandte! Wir sollten uns lieben, nicht hassen! Es ist meine Schuld. Ich bin so maßlos und selbstsüchtig.«
    Sie fiel auf die Knie. »Kannst du mir vergeben, liebste Cousine?«
    Serophia war so geschockt, dass ihr der Mund offen blieb. Zwei von Talithas Neffen, die sich auf der Suche nach ihrer Tante befanden, traten in den Kreis, und als sie ihren Zustand bemerkten, halfen sie ihr auf die Füße und schleiften sie aus der Hütte. In ihrem Zelt lallte Talitha nur noch unverständliches Zeug, rollte sich auf ihrem Schlaffell zusammen und schlief sofort ein.
    Der nächste Morgen war eine andere Geschichte. Alle erwachten mit der Erkenntnis, dass sie sich hundeelend fühlten. Teufel hämmerten in ihrem Kopf und verdrehten ihnen den Magen, böse Geister wüteten in ihren Gedärmen. Ihre Hände zitterten, ihr Blick war unscharf. Einige erklärten, sie seien dem Tode nahe. Reue überkam sie, als Erinnerungsfetzen an die vergangene Nacht vorbeihuschten, aber schlimmer noch waren die Gedächtnislücken.
    Als Talitha, den Kopf in den Händen, aus ihrem Zelt wankte und im Morgenlicht blinzelte, sah sie, wie Ari sich auf Händen und Knien fürchterlich erbrach und Janka aus einer Kürbisflasche soff, als ob keine Wasser dieser Welt seinen Durst stillen könnten.
    Beinahe jeder hielt sich den Kopf und stöhnte, und einige der Frauen fanden zu ihrer Bestürzung Hinweise auf eine körperliche Vereinigung, an die sich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnten. Talithas Gedanken überstürzten sich. Wieso waren sie alle in der vergangenen Nacht so fröhlich und ausgelassen gewesen und fühlten sich heute so elend? Es mussten Geister gewesen sein, die sie erst so heiter gestimmt und dann in diese elende Verfassung gestürzt hatten – böse, trickreiche Geister!
    Talitha hatte keinerlei Erinnerung an ihren nächtlichen Besuch bei Serophia, bis sie die betretenen Gesichter ihrer Neffen sah, die als Einzige nichts von dem Traubensaft getrunken hatten. Da fiel es ihr wieder ein. Sie hatte Serophia auf Knien um Verzeihung gebeten.
    »Bei den Brüsten der Göttin!«, kreischte sie. Waren sie denn alle vom bösen Geist besessen gewesen?
    Trotz alledem wollte Talitha von dem neuen Getränk nicht lassen. Die Wahrsager und der Hüter der Göttin sollten die Zeichen und Omen deuten, über die Vorkommnisse meditieren und zur Göttin beten. Nach einem Tag der Abgeschiedenheit, des Betens, Fastens und Meditierens befanden die Seher des Clans, dass die Göttin den Traubensaft verwandelt und ihren auserwählten Kindern zum Geschenk gemacht hatte. Im Rückblick auf die angenehmen Gefühle der vergangenen Nacht erklärten die Seher den Saft zu einem heiligen Getränk, das nicht etwa leichtfertig, sondern nur mit großer Würde genossen werden durfte.
    Die Kunde über den Zaubersaft verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Talitha lud die Oberhäupter anderer Clans zum Kosten ein, wobei sie Serophia wohlweislich überging. Die Häuptlinge ließen den Trinkbecher kreisen, kosteten und berieten sich, kosteten erneut und befanden den Saft für gar nicht so übel. Schließlich machte er einen fröhlich, er vertrieb die Schmerzen und garantierte einen festen Schlaf. Es konnte sich nur um ein heiliges Getränk handeln, das vom Geist der Göttin beseelt war.
    In den folgenden Jahren verfuhr der Gazellenclan wie gewohnt, er brach frühzeitig zur Ewigen Quelle auf, erntete den Wein und versteckte ihn in den Höhlen oberhalb des Toten Meeres, um ihn zu gegebener Zeit mit anderen Clans zu teilen und gegen deren Waren einzutauschen.
    Im vierten Jahr erklärte Talitha, dass es ratsam sei, das Winterquartier aufzugeben und im Süden neue, feste Unterkünfte zu errichten. Es schien ihr klüger, in der Nähe der Weinstöcke zu bleiben, bevor andere sich ihrer Schätze bemächtigten.
    Viele aus dem Gazellenclan hatten den Ort an der Quelle im Süden schätzen gelernt. Und so errichteten sie feste Unterkünfte, ernannten sich zu Hütern des Freude spendenden Weins und verfuhren im folgenden Sommer in der gewohnten Weise mit dem Ernten und Lagern des kostbaren Stoffes. Sie wussten nichts von Hefe und dem Gärungsprozess und glaubten fest daran, dass die Göttin die harmlosen Trauben mit Eigenschaften versähe, die die Männer fröhlich

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