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Kristall der Träume

Kristall der Träume

Titel: Kristall der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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mussten die beiden trennen, und während Serophia ihren heimlichen Sieg genoss, sann die andere auf Rache. Im darauf folgenden Sommer sorgte Talitha dafür, dass ihr Clan vor den anderen an der Quelle eintraf, und wies die Frauen an, die gesamten Weintrauben abzuernten. Ein Teil der Ernte wurde gegessen, ein Teil ging in den Tauschhandel mit anderen Clans. Die restlichen Trauben wurden in wasserdichte Körbe gepackt und in einer nahe gelegenen Kalksteinhöhle versteckt. Sollte Serophia bei der nächsten jährlichen Zusammenkunft so viele Trauben ernten wie sie wollte, Talitha hatte sich ihren Anteil gesichert. Als die Clans jedoch im folgenden Jahr an der Ewigen Quelle eintrafen, stellten Talithas Leute erschrocken fest, dass ihre in Körbe gefüllten Trauben, die ein ganzes Jahr lang unangetastet in der Dunkelheit gelagert hatten, eine seltsame Verwandlung erfahren hatten.
    Im Zuge ihres Reifungsprozesses waren alle Trauben aufgeplatzt, und in den Körben schwamm nunmehr ein Gemisch aus Schalen, Fruchtfleisch und Saft mit einem gar nicht so unangenehmen Aroma.
    Einer der Stammesältesten tauchte einen Finger in den Saft, kostete und fand den Geschmack faszinierend. Talitha schöpfte sich eine Hand voll rosa Maische aus dem Korb und kostete ebenfalls. Die Umstehenden warteten gespannt, während sie sich die Lippen leckte.
    »Was meinst du, Talitha?«, fragte Janka, der derzeitige Hüter der Gottheit und ein Wichtigtuer.
    Talitha kostete noch einmal. Sie vermochte nicht zu sagen, ob ihr der Geschmack gefiel oder nicht, aber da war noch etwas… Sie trank noch einmal, überlegte wieder ein wenig und wurde plötzlich ungemein fröhlich. Sie wies die Männer an, die schweren Körbe ins Lager zu schaffen. Dort brannten bereits zahllose Kochstellen, die Luft war von Rufen und Gelächter erfüllt, und das Volk des Gazellenclans setzte sich nieder, um das Wunder in seiner Mitte zu überdenken.
    Die Ellbogen auf ihre gewaltigen Schenkel gestützt, tauchte Talitha eine Trinkschale in einen der Körbe aus der Höhle und nahm einen Schluck. Unter den Augen der Umsitzenden schnalzte sie mit der Zunge und fuhr sich über die Lippen. Auf ihr Zeichen hin tauchten alle anderen ihre Trinkschalen in den Saft und kosteten.
    Lippen wurden geleckt, Meinungen ausgetauscht, Trinkschalen zur Vergewisserung erneut in den Saft getaucht, noch einmal und noch einmal. In einem waren sie sich einig: Sie hatten keine Ahnung, was sie da tranken.
    Mit einem Mal zeigten sich die merkwürdigsten Erscheinungen: verworrenes Sprechen, schlingernder Gang, Schluckauf und unerklärliche Lachanfälle. Talitha blickte besorgt in die Runde.
    Waren ihre Leute von einem bösen Geist besessen? Sie sah ihre beiden Brüder Arm in Arm vorbeitorkeln. Und ihre Schwestern, die eine weinte, die andere kicherte sinnloses Zeug. Sie selbst fühlte sich merkwürdig erhitzt. Als der normalerweise zurückhaltende Janka einen Darmwind entweichen ließ, brachen alle in Gelächter aus.
    Darauf wiederholte er diese Vorstellung, und weil alle brüllten, als ob sie noch nie so etwas Komisches gehört hätten, machte er obszöne Geräusche, bis die ganze Runde sich brüllend auf die Schenkel schlug. Obwohl Talitha von dem Gelächter angesteckt wurde, nagte etwas in ihrem Hinterkopf. So benahmen sich ihre Leute gewöhnlich nicht. Was war los mit ihnen? Zu ihrem Leidwesen konnte sie selbst nicht mehr klar denken, und je mehr Traubensaft sie trank, desto unklarer wurde ihr Denken. Als dann Janka, der stoische, finstere Hüter der Göttin sie unerwartet packte und mit Küssen übersäte, war sie nicht einmal erzürnt – sie hatte ihm gewiss kein Zeichen gegeben, dass sie an ihm interessiert sei –, sondern kicherte albern und lupfte fröhlich ihren Rock.
    Janka brauchte nicht lange und rollte von ihr wie ein Sack.
    Talitha bediente sich noch einmal von dem Traubensaft und merkte plötzlich, dass ihre Knie nicht mehr schmerzten.
    Die hatten ihr schon seit Monaten Probleme bereitet, und die Gelenke waren manchmal so angeschwollen, dass man sie tragen musste. Aber jetzt waren nicht nur die Schmerzen verschwunden, sie fühlte sich geschmeidig wie eine junge Frau! Es war ein wunderbares Gefühl – gewiss tranken sie da einen Zaubertrank.
    Einen Trank, der Glück und Gesundheit bescherte. Eine göttliche Gabe!
    Je mehr sie jedoch trank, desto weniger jung und heiter fühlte sie sich. Ein Unbehagen beschlich sie, und nach einem weiteren stärkenden Schluck richtete sie sich mühsam auf,

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