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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Zeichen, sie solle neben dem Vater niederknien, dann hob er einen kleinen goldenen Schrein herunter, der über dem Altar stand. Er flüsterte ihr zu, daß darin ein Stück des blutigen Kleides Sankt Tomas’ von Kanterborg enthalten sei, und zeigte ihr die Gestalt des Heiligen, so daß Kristin ihre Lippen auf seine Füße drücken konnte.
    Wunderbare Töne durchströmten die Kirche, als sie herunterkamen; Herr Martein sagte, der Orgelmeister und die Schulknaben übten sich hier im Spielen und Singen; aber nun hatten sie keine Zeit, zuzuhören, denn ihr Vater war hungrig; er hatte vor der Beichte gefastet. Jetzt wollten sie in die Gaststube des Domherrenhofes hinübergehen und essen.
    Draußen lag die Morgensonne golden auf den steilen Ufern jenseits des Mjös-Sees, so daß alle die vergilbten Laubbäume wie Goldstaub in den dunkelblauen Wäldern standen. Alle Wellen des Sees hatten kleine tanzende weiße Schaumköpfe. Es blies kalt und frisch, und die bunten Blätter taumelten auf die bereifte Erde nieder.
    Zwischen dem Bischofshof und dem Haus der Kreuzbrüder kam eine Reiterschar heraus. Lavrans trat zur Seite und verbeugte sich, die eine Hand auf die Brust gelegt, während er mit seinem Hute fast die Erde streifte, und Kristin verstand, daß der Herr in dem Pelzumhang der Bischof selbst sein mußte, und sie verneigte sich fast bis zur Erde.
    Der Bischof hielt sein Pferd an und erwiderte den Gruß, winkte Lavrans zu sich heran und sprach eine Zeitlang mit ihm. Nach kurzer Zeit kam Lavrans zu dem Priester und dem Kind zurück und sagte:
    „Ich bin nun gebeten, im Bischofshof zu speisen - meint Ihr, Herr Martein, einer der Dienstleute der Kommende könnte dieses kleine Mädchen heimgeleiten zu dem Hof des Fartein sutare und meinen Männern sagen, daß Halvdan mich hier um die Vesperzeit mit Guldsvein erwarten soll?“
    Der Priester antwortete, das könnte freilich so eingerichtet werden. Da trat der Barfüßer, der mit Kristin auf der Turmtreppe gesprochen hatte, vor und grüßte:
    „Bei uns dort im Gasthaus ist ein Mann, der sowieso etwas bei dem Schuster besorgen muß, er kann deine Nachricht überbringen, Lavrans Björgulvssohn, und deine Tochter kann ihn dann begleiten oder im Kloster bleiben, bis du selbst heimkehrst. Ich werde dafür sorgen, daß sie dort etwas zu essen bekommt.“ Lavrans dankte, sagte jedoch:
    „Es tut mir leid, daß Ihr mit diesem Kind bemüht werden sollt, Bruder Edvin ...“
    „Bruder Edvin zieht alle Kinder zu sich heran, die er nur zu erreichen vermag“, sagte Herr Martein und lachte. „Auf diese Weise hat er jemand, dem er predigen kann.“
    „Ja, ich wage doch nicht, euch gelehrten Herren hier in Hamar meine Predigten anzubieten“, sagte der Mönch lächelnd und ohne Groll. „Ich tauge nun einmal nur dazu, Kindern und Bauern zu predigen, aber deshalb braucht man doch nicht dem Ochsen, der da drischet, das Maul zu verbinden.“
    Kristin blickte bittend zu ihrem Vater auf; nichts wollte sie lieber als mit Bruder Edvin gehen. Lavrans dankte denn auch, und während der Vater und der Priester dem Gefolge des Bischofs nachgingen, legte Kristin ihre Hand in die des Mönches, und sie schritten auf das Kloster zu, das aus einer Gruppe von Holzhäusern und einer hellen Steinkirche ganz unten am Wasser bestand.
    Bruder Edvin drückte ihre Hand ein wenig, und als sie einander anblickten, mußten sie beide lachen. Der Mönch war groß und hager, aber sehr gebeugt; dem Kinde schien es, sein Kopf gleiche dem eines alten Kranichs, denn er war klein, mit schmalem, leuchtend blankem Schädel über einem buschigen weißen Haarkranz und saß auf einem langen und dünnen faltigen Hals. Auch die Nase war groß und spitz wie ein Schnabel. Aber es gab noch etwas, was sie sogleich leichten und frohen Sinnes machte, wenn sie ihm nur in das länglich schmale, gefurchte Gesicht blickte. Die alten, wäßrigblauen Augen waren rot gerändert und die Lider bräunlich und dünn wie Haut, tausend Falten gingen strahlenförmig von ihnen aus, die welken Wangen mit dem rötlichen Adernnetz waren durchfurcht von Runzeln, die zu dem kleinen schmallippigen Mund liefen, aber es war, als sei Bruder Edvin nur davon so faltig geworden, daß er den Menschen immer zulächelte. Kristin dachte, sie kenne niemand, der so munter und so freundlich aussehe; es war, als trüge er eine leuchtende heimliche Freude in sich und als würde sie diese erfahren, wenn er zu sprechen anfinge. Sie gingen am Zaune eines Baumgartens entlang,

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