Kristin Lavranstochter 1
Balkengerüstes, kletterte auf eine Leiter und legte einige Bohlen zurecht. Dann kam er wieder herunter und half dem Kinde hinauf.
Auf der grauen Steinmauer über sich sah Kristin merkwürdige flackernde Lichtflecke, rot wie Blut und gelb wie Bier, blau und braun und grün. Sie wollte zurückblicken, jedoch der Mönch flüsterte: „Schau dich nicht um.“ Aber als sie hoch oben auf dem Gerüst standen, drehte er sie vorsichtig um, und Kristin sah eine Erscheinung, so hold, daß ihr fast der Atem verging.
Ihr gerade gegenüber, auf der Südwand des Langschiffes, war ein Bild, es leuchtete, als wäre es aus lauter schimmernden Edelsteinen gemacht. Die bunten Lichtflecke an der Wand kamen von Strahlen, die von diesem Bild ausströmten; sie selbst und der Mönch standen mitten in dem Glanz. Ihre Hände waren rot, als seien sie in Wein getaucht, das Gesicht des Mönches schien ganz vergoldet zu sein, und von seiner dunklen Kutte schimmerten die Farben des Bildes dunkel zurück. Sie sah ihn fragend an, aber er nickte nur und lächelte.
Es war, als blicke man aus weiter Ferne ins Himmelreich hinein. Hinter einem Gitter von schwarzen Strichen erkannte sie nach und nach den Herrn Christus selbst in dem kostbaren roten Umhang, die Jungfrau Maria in einem Gewand, so blau wie der Himmel, heilige Männer und Jungfrauen in strahlend gelben und grünen und veilchenblauen Kleidern. Sie standen unter Bogen und Säulen leuchtender Häuser, Äste und Zweige wanden sich mit seltsamem und klar gezeichnetem Laub um das Bild.
Der Mönch zog sie etwas weiter an den Rand des Gerüstes.
„Stell dich hierher“, flüsterte er, „dann leuchtet es vom Mantel Christi selbst auf dich herab.“
Vom Kirchenschiff unten stiegen ein schwacher Duft von Weihrauch und der Geruch von kalten Steinen zu ihnen auf. Es war dämmrig dort unten, aber die Sonnenstrahlen drangen durch eine Reihe von Fensteröffnungen der Südwand des Langschiffes schräg herein. Kristin begann zu verstehen, daß das Himmelsbild eine Art Fenster sein mußte, denn es füllte eine solche Öffnung aus. Die anderen waren leer oder mit Hornscheiben in Holzrahmen verschlossen. Ein Vogel kam, setzte sich in eine der Öffnungen, zwitscherte ein wenig und flog weg, und draußen bei der Chorwand hörte man Schläge von Metall gegen Stein. Sonst war alles still; nur der Wind kam in kleinen Stößen, seufzte ein wenig zwischen den Wänden der Kirche und legte sich wieder.
„Jaja“, sagte Bruder Edvin und seufzte. „Solche Dinge kann hier im Lande niemand verfertigen - sie malen zwar auch in Nidaros auf Glas, aber es wird nicht so wie das hier. - Draußen in den südlichen Ländern, Kristin, in den großen Münstern, haben sie Glasbilder, so groß wie die Tore dieser Kirche hier.“
Kristin dachte an die Bilder in der Kirche daheim. Dort war Sankt Olavs Altar und Sankt Tomas von Kanterborgs Altar, mit den Bildnistafeln auf der Brüstung und dem Schrein dahinter - aber diese Bilder schienen ihr jetzt matt und ohne Glanz zu sein.
Sie stiegen die Leiter hinunter und gingen zum Chor hinauf.
Der Altartisch dort war nackt und kahl, und auf der Steinplatte standen kleine Gefäße und Näpfe aus Metall und Holz und Lehm; merkwürdige kleine Messer und Eisenstücke, Federhalter und Pinsel lagen verstreut umher. Da sagte Bruder Edvin, dies seien seine Geräte. Er treibe das Handwerk, Bilder zu malen und Altarschreine zu schnitzen, auch die feinen Bilder, die in den Chorstühlen ständen, habe er gemacht. Sie sollten auf die Altaraufsätze in der Kirche der Predigerbrüder hier kommen.
Kristin durfte sehen, wie er farbige Pulver mischte und sie in kleinen Schüsseln aus Steingut verrührte, und sie durfte ihm helfen, die Sachen auf ein Gestell an der Wand zu tragen. Während der Mönch von einem Bild zum andern ging und feine rote Linien in das helle Haar der heiligen Männer und Frauen zeichnete, so daß man sehen konnte, wie es sich kräuselte und lockte, folgte Kristin ihm dicht auf den Fersen, und er erklärte ihr, was er gemalt hatte.
Auf dem einen Bilde saß Christus in einem goldenen Stuhl, und Sankt Nikolaus und Sankt Klemens standen mit ihm unter einem Dach. An den Seiten aber war das Leben des heiligen Nikolaus abgebildet. An einer Stelle saß er als Wickelkind auf den Knien seiner Mutter; er drehte sich von der Brust weg, die sie ihm reichte, denn er war schon von der Wiege an so heilig, daß er an den Freitagen nicht mehr als einmal gestillt werden wollte. Daneben zeigte ihn
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