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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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anderer Stimme: „Weißt du, wer der erste war, der vernahm, daß unser Herrgott sich hatte gebären lassen? Das war der Hahn; er sah den Stern, und da sagte er - sie konnten damals alle Lateinisch, die Tiere -, er schrie :,Christus natus est!‘ “
    Diese letzten Worte krähte er einem Hahne so ähnlich, daß Kristin laut lachen mußte. Und es tat so gut, lachen zu dürfen, denn all das Seltsame, das Bruder Edvin soeben gesagt hatte, hatte sich wie eine Last von Feierlichkeit auf sie gelegt.
    Der Mönch lachte selbst. „Ja. Als dann der Ochs dies hörte, fing er an zu brüllen: ,Ubi, ubi, ubi?‘
    Aber die Ziege meckerte und sagte: ,Betlem, Betlem, Betlem.' Und das Schaf bekam solche Sehnsucht, Unsere Liebe Frau und ihren Sohn zu sehen, daß es sofort blökte: ,Eamus, eamus !‘ Und das neugeborene Kalb, das auf dem Stroh lag, erhob sich und stand auf seinen Füßen. ,Volo, volo, volo!‘ sagte es.
    Das hast du wohl noch nie gehört? Nein, das kann ich mir denken; ich weiß, er ist ja ein tüchtiger Priester, dieser Sira Eirik, den ihr da oben bei euch habt, und wohlgelehrt, aber das kann er wohl doch nicht, denn das lernt man nur in Paris . . ,“ „Seid Ihr denn in Paris gewesen?“ fragte das Kind.
    „Gott segne dich, Klein Kristin, ich bin in Paris gewesen und auch sonst in der Welt umhergewandert, und du darfst nichts Besseres von mir glauben, als daß ich den Teufel fürchte und die Welt liebe und begehre wie ein Tor. Aber ich halte mit aller meiner Kraft am Kreuze fest - man muß sich daran anklammern wie die junge Katze im Wasser an das Brett.
    Und du, Kristin - was würdest du davon halten, dieses dein schönes Haar zu opfern und Unserer Lieben Frau zu dienen wie diese Bräute, die ich hier gezeichnet habe?“
    „Wir haben keine anderen Kinder daheim als mich“, antwortete Kristin. „Ich werde also wohl verheiratet werden, denke ich mir. Die Mutter hat schon Kisten und Kasten mit meiner Aussteuer bereit.“
    „Jaja“, sagte Bruder Edvin und strich ihr über die Stirne. „So machen es jetzt die Menschen mit ihren Kindern. Unserm Herrgott weihen sie die Töchter, die hinken und kurzsichtig und häßlich und bresthaft sind, oder sie geben ihm die Kinder zurück, die er ihnen nach ihrer Meinung zuviel geschenkt hat. Und dennoch wundern sie sich dann, daß es nicht lauter heilige Männer und Jungfrauen sind, die in den Klöstern wohnen ..
    Bruder Edvin nahm sie mit in die Sakristei und zeigte ihr auf einem Gestell dort die Bücher des Klosters; da waren die schönsten Bilder drin. Aber als einer von den Mönchen hereinkam, sagte er, er suche nur einen Eselskopf, um ihn abzuzeichnen. Hinterher schüttelte er den Kopf über sich selbst.
    „Ja, da siehst du die Furcht, Kristin - aber sie haben hier im Hause solche Angst um ihre Bücher. Besäße ich den wahren Glauben und die wahre Liebe, dann stünde ich nicht so da und löge Bruder Aasulv an. - Aber dann könnte ich diese alten Lederhandschuhe hier nehmen und sie an dem Sonnenstrahl dort aufhängen.“
    Sie ging mit dem Mönch in die Herberge hinüber und bekam etwas zu essen, sonst aber saß sie den ganzen Tag in der Kirche und schaute ihm bei seiner Arbeit zu und plauderte mit ihm.
    Und erst als Lavrans kam, um Kristin zu holen, entsannen sie sich der Nachricht, die man dem Schuhmacher hätte senden sollen.
    An die Tage in Hamar erinnerte sich Kristin später besser als an alles andere, was ihr auf der langen Reise begegnet war. Wohl war Oslo eine größere Stadt als Hamar, aber nun hatte sie bereits eine Handelsstadt gesehen, und Oslo kam ihr daher nicht mehr so merkwürdig vor. Auf Skog gefiel es ihr nicht so gut wie auf Jörundhof, obwohl die Gebäude schöner waren - sie war froh, daß sie nicht dort wohnen sollte. Der Hof lag auf einem Hügel, und unten war der Botn-Fjord, grau und traurig mit den schwarzen Wäldern auf dem anderen Ufer, und hinter den Häusern reichte der Himmel bis auf die Baumwipfel des Waldes herab. Es gab keine hohen und schroffen Berghänge, die wie daheim den Himmel hoch über einem trugen und es einem heimisch machten und den Blick begrenzten, so daß die Welt weder zu groß war noch zu klein.
    Die Heimfahrt war kalt; es war kurz vor Advent, aber als sie ein Stück weit ins Tal hinaufkamen, lag dort schon Schnee. Da mußten sie Schlitten leihen und das größte Stück des Weges fahren.
    Mit dem Hofhandel ging es so, daß Lavrans den Hof Skog seinem Bruder Aasmund übertrug mit dem Rückkaufsrecht für sich und seine

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