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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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freundlich, aber sie fürchteten sie auch.
    Kristin dachte, die Mutter, die sonst immer so viel betete, sollte doch jetzt lieber Gott und die Jungfrau Maria anrufen. Sie versuchte selbst zu beten - besonders zu Sankt Olav, denn sie wußte, er war so gut und half so vielen, die an Krankheit oder Wunden oder gebrochenen Beinen litten. Aber sie konnte die Gedanken nicht Zusammenhalten.
    Die Eltern waren allein in der Stube. Lavrans hatte sich wieder auf das Bett gelegt, und Ragnfrid saß über das kranke Kind gebeugt, wischte ihm von Zeit zu Zeit mit einem feuchten Tuch Stirne und Hände und netzte seine Lippen mit Wein.
    Es verging eine lange Zeit. Tordis sah manchmal in die Stube herein und wollte gerne helfen, aber Ragnfrid schickte sie jedesmal hinaus. Kristin weinte lautlos und betete im Innern, aber dazwischen mußte sie immer wieder an die Zauberin denken, und sie wartete gespannt darauf, sie eintreten zu sehen.
    Plötzlich fragte Ragnfrid in die Stille hinein:
    „Schläfst du, Lavrans?“
    „Nein“, antwortete der Mann. „Ich horche auf Ulvhild. Gott wird seinem unschuldigen Lamme helfen, Frau - daran dürfen wir nicht zweifeln. Aber die Zeit vergeht langsam, wenn man so hier liegt und wartet.“
    „Der Herrgott“, sagte Ragnfrid verzweifelt, „haßt mich um meiner Sünden willen. Meine Kinder haben es gut dort, wo sie sind, daran wage ich nicht zu zweifeln, und nun ist wohl auch Ulvhilds Stunde gekommen - mich aber hat Gott verworfen, denn mein Herz ist ein Schlangennest von Sünde und Elend ...“ Da öffnete jemand die Türe - Sira Eirik trat ein, richtete seinen gewaltigen Körper auf, wie er so dastand und mit seiner klaren, tiefen Stimme sprach: „Gott helfe euch hier im Hause!“
    Der Priester stellte das Kästchen mit den Arzneien auf die Bettstufe, trat an die Feuerstätte und goß sich warmes Wasser über die Hände. Dann zog er ein Kreuz aus seinem Gewand, deutete damit in alle vier Ecken der Stube und murmelte etwas auf lateinisch. Darauf öffnete er das Rauchloch, damit das Licht in die Stube einströmen konnte, trat ans Bett und sah Ulvhild an.
    Kristin fürchtete, er könnte sie finden und sie hinausjagen -Sira Eiriks Augen pflegte nicht viel zu entgehen. Aber er blickte sich nicht um. Er nahm eine Flasche aus dem Schrein, träufelte ein wenig Flüssigkeit auf eine Flocke feiner Wolle und legte sie auf Ulvhilds Mund und Nase.
    „Nun wird sie bald weniger leiden“, sagte der Priester. Er ging zu Lavrans hinüber und untersuchte ihn, während er sich erzählen ließ, wie sich das Unglück zugetragen hatte. Lavrans waren zwei Rippen gebrochen, und seine Lunge war verletzt; der Priester meinte jedoch, daß die Verletzung nicht gefährlich sei.
    „Aber Ulvhild?“ fragte der Vater bekümmert.
    „Ich werde es dir sagen, wenn ich sie habe ansehen können“, antwortete der Priester. „Du mußt dich jetzt ins Vorratshaus hinauflegen, dann ist hier mehr Ruhe und Platz für die, die sie pflegen.“ Er legte sich Lavrans’ Arm um die Schultern, hob den Mann auf und trug ihn hinaus. Kristin wäre jetzt am liebsten mit dem Vater gegangen, aber sie wagte nicht, sich sehen zu lassen.
    Als Sira Eirik zurückkam, sprach er nicht mit Ragnfrid, sondern schnitt Ulvhild, die jetzt weniger jammerte und in einem leisen Schlummer zu liegen schien, die Kleider auf. Behutsam tastete er mit seinen Händen den Körper und die Gliedmaßen des Kindes ab.
    „Steht es so schlimm um mein Kind, Eirik, daß du dir keinen Rat weißt, da du nichts sagst?“ fragte Ragnfrid gedämpft.
    Der Priester antwortete leise:
    „Es sieht aus, als sei ihr Rücken schwer verletzt, Ragnfrid. Ich weiß keinen besseren Rat, als daß wir alles Gott und Sankt Olav anheimstellen; ich kann hier nicht viel tun.“
    Die Mutter sagte heftig:
    „Da müssen wir beten - du weißt ja wohl, daß Lavrans und ich alles geben, worum du bittest. An nichts wollen wir sparen, wenn du es Gott abzuringen vermagst, daß Ulvhild am Leben bleibt.“
    „Es würde mir ein Wunder scheinen“, sagte der Priester, „wenn sie am Leben bleiben und ihre frühere Gesundheit wiedererlangen könnte.“
    „Ja, sind es denn nicht Wunder, von denen du früh und spät erzählst - glaubst du, daß an meinem Kinde kein Wunder geschehen kann?“ sagte sie wie vorher.
    „Es ist wahr“, entgegnete der Priester, „es geschehen Wunder, aber Gott erhört nicht alle Menschen - wir kennen seinen heiligen Ratschluß nicht. Und dünkt es dich denn nicht viel schlimmer, wenn

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