Kristin Lavranstochter 1
Erlend lachte laut. „Allein, gesehen habe ich es nicht.“
Erling Vidkunssohn sagte:
„Es verhält sich so, Erlend, zu Herren sind wenige geboren, alle aber sind dazu geboren, zu dienen; das rechte Herrentum ist, der Diener seiner Diener zu sein.“
Erlend verschränkte die Hände hinter seinem Nacken und dehnte sich lächelnd.
„Daran habe ich nie gedacht. Und ich glaube auch nicht, daß meine Pächter mir für eine Dienstleistung zu danken haben. Trotzdem, so seltsam es ist, können sie mich gut leiden, glaube ich.“ Er rieb schmeichelnd seine Wange an Kristins junger schwarzer Katze, die ihm auf die Schulter gesprungen war und jetzt schnurrend, mit gekrümmtem Rücken um seinen Hals herumstieg. „Aber mein Weib dort - sie ist die dienstbereiteste Frau, obgleich ihr keine Ursache habt, es zu glauben, denn Kannen und Krüge hier sind leer, meine Kristin!“
Orm, der schweigend dagesessen hatte und dem Gespräch der Männer gefolgt war, stand sofort auf und ging hinaus.
„Die Hausfrau hat sich so gelangweilt, daß sie eingeschlafen ist“, sagte Haftor lächelnd. „Und die Schuld daran habt ihr -ihr hättet mich in Ruhe mit ihr reden lassen sollen, mich, der sich darauf versteht, mit Frauen zu sprechen.“
„Ja, diese Reden waren gewiß zu lang für Euch, Fraue“, begann Herr Erling entschuldigend, aber Kristin antwortete mit einem Lächeln:
„Es ist wahr, Herre, ich habe nicht alles begriffen, was heute abend gesprochen wurde, aber ich behalte es wohl im Gedächtnis, und ich habe ja viel Zeit, später darüber nachzudenken.“ Orm kam mit einigen Mägden zurück, die mehr zu trinken brachten. Der Knabe ging umher und schenkte ein. Traurig betrachtete Lavrans das schöne Kind. Er hatte versucht, mit Orm Erlendssohn ins Gespräch zu kommen, aber der Knabe war wortkarg geblieben, trotz seinem artigen und höfischen Wesen.
Eine der Mägde flüsterte Kristin zu, in der Kleinstube sei Naakkve aufgewacht und schreie entsetzlich. Da wünschte die Hausfrau gute Nacht und folgte den Dienerinnen, als diese den Raum verließen.
Die Männer begannen wieder zu trinken. Herr Erling und Lavrans wechselten dann und wann einen Blick, dann sagte der Ritter:
„Über eines, Erlend, wollte ich mit dir sprechen. Vermutlich wird von dem Land rings um den Fjord hier und von Möre Kriegssteuer gefordert werden; die Leute im Norden haben Angst, die Russen könnten zum Sommer mit stärkerer Macht wiederkommen, so daß sie den Schutz des Landes nicht allein zu bewältigen vermöchten. Dies ist nun der erste Gewinn, den wir der Königsgemeinschaft mit Schweden zu verdanken haben -gerecht ist es doch wohl nicht, ihn die Bewohner von Haalogaland allein auskosten zu lassen. Nun verhält es sich aber so, daß Arne Gjavvaldssohn zu alt und zu kränklich ist - es kam also die Rede darauf, dich zum Befehlshaber über die Schiffe der Bauern von dieser Seite des Fjords zu machen. Was würdest du dazu meinen?“
Erlend schlug die eine Hand in die andere - sein ganzes Antlitz strahlte.
„Was ich dazu meinen würde!“
„Ein großes Aufgebot würde wohl kaum zustande kommen“, dämpfte Erling sogleich ab. „Aber es käme darauf an, sich bei den Vögten umzutun. Du bist jetzt bekannt hier im Lande -es war unter den Herren im Rat die Rede davon, du seiest vielleicht der Mann, etwas in dieser Sache auszurichten. Manche erinnern sich noch, daß du nicht wenig Ehre gewannst, als du bei Graf Jacob die Landesverteidigung anführtest - ich selbst entsinne mich, gehört zu haben, wie er zu König Haakon sagte, der König habe unklug gehandelt, als er gegen einen begabten jungen Menschen so hart vorgegangen sei; er sagte, du seist dazu bestimmt, deinem König eine Stütze zu sein.“
Erlend schnippte mit den Fingern.
„Du wirst doch nicht etwa unser König werden, Erling Vidkunssohn! Ist das vielleicht euer Plan“, fragte er laut lachend, „Erling zum König zu machen?“
Erling sagte ungeduldig:
„Nein, Erlend, verstehst du denn nicht, daß ich jetzt im Ernst sprach.“
„Gott steh mir bei - hast du denn vorher gescherzt? Ich glaubte, du habest den ganzen Abend ernsthaft geredet - nun ja, laß uns also ernstlich sprechen, sag mir alles über diese Sache, Verwandter.“
Kristin lag schlafend da, mit dem Kind an der Brust, als Erlend in die Kleinstube kam. Er hielt einen Kienspan an die
Glut der Feuerstätte und beleuchtete die beiden eine gute Weile.
Wie schön sie war - und was für einen schönen Sohn sie hatten ! Kristin
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