Kristin Lavranstochter 1
Und das glauben wohl alle, die nicht auf“, er zuckte die Achseln, „böswilliges und loses Gerede hören. Und das sollten doch wir, die Verwandten der hohen Frau, am allerletzten tun.“
Eine Dienerin hob die Luke im Boden und fragte, ob es ihnen recht sei, wenn die Hausfrau jetzt die Speisen in die Halle tragen lasse.
Während die Leute bei Tisch saßen, wollte das Gespräch immer wieder die großen Neuigkeiten streifen, die in der Luft lagen. Kristin merkte, daß sowohl ihr Vater als auch Herr Erling davon ablenkten; sie berichteten über Brautkauf und Todesfälle, Erbstreitigkeiten und Besitzwechsel zwischen Verwandten und Freunden. Kristin wurde unruhig und wußte selbst kaum, weshalb. Diese Männer hatten ein Anliegen an Erlend, das begriff sie. Und obwohl sie es sich nicht selbst eingestehen mochte, kannte sie ihren Mann jetzt doch gut genug, um zu wissen, daß er trotz all seinem Eigensinn vielleicht doch ziemlich leicht zu lenken war, von einer festen Hand im weichen Handschuh, wie das Sprichwort sagt.
Nach der Mahlzeit rückten die Herren an der Feuerstätte zusammen, blieben dort sitzen und tranken. Kristin ließ sich auf der Bank nieder, nahm den Rahmen auf den Schoß und flocht an ihrer Spitze. Gleich darauf kam Haftor Graut, legte ein Kissen auf den Boden und setzte sich der Hausfrau zu Füßen. Er hatte Erlends Saitenspiel auf den Knien und spielte ein wenig und erzählte. Haftor war ein ganz junger Mann mit blondem, gelocktem Haar und sehr schönen Zügen, jedoch war sein Gesicht mit Sommersprossen übersät. Kristin merkte bald, daß er herzlich redselig war. Er hatte erst kürzlich eine reiche Heirat gemacht, langweilte sich jedoch daheim auf seinen Höfen; das war der Grund, weshalb er zu der Adelsversammlung fahren wollte.
„Aber es ist begreiflich, daß Erlend Nikulaussohn lieber daheim sitzen will“, sagte er und legte seinen Kopf in ihren Schoß. Kristin rückte ein wenig weg, lachte und sagte, soviel sie wisse, gedenke ihr Gemahl nach Süden zu reisen.
„Welchen Grund es auch haben mag“, sagte sie mit unschuldiger Miene. „Es herrscht soviel Unruhe im Land zu diesen Zeiten, für eine einfältige Frau ist es nicht leicht, von diesen Dingen etwas zu verstehen.“
„Und doch ist diesmal die Einfalt einer Frau fast die einzige Ursache“, antwortete Haftor lachend und rückte nach. „Ja, so sagen Erling und Lavrans Björgulvssohn - ich möchte wissen, was sie damit meinen. Was glaubt Ihr, Herrin Kristin? Frau Ingebjörg ist eine gute, einfältige Frau - vielleicht sitzt sie jetzt so da wie Ihr, flicht Seide mit ihren schneeweißen Fingern und denkt: hartherzig würde es sein, dem getreuen Vertrauten ihres dahingegangenen Gatten eine geringe Hilfe zur Verbesserung seiner Machtstellung zu verweigern ..
Erlend kam hinzu und setzte sich so zu seiner Frau, daß Haftor ein wenig zur Seite rücken mußte.
„Solchen Unsinn schwätzen die Frauen in den Herbergen zusammen, wenn die Männer dumm genug sind, sie mit an den Versammlungsort zu nehmen.“
„In meiner Heimat sagt man, wo ein Rauch ist, da ist auch ein Feuer“, entgegnete Haftor.
„Ja, das Wort haben wir auch bei uns“, mischte sich Lavrans drein; er und Erling waren hinzugetreten. „Aber ich habe mich davon zum Narren halten lassen, Haftor, im letzten Winter -ich wollte mein Licht an frischem Pferdemist anzünden“, er setzte sich auf die Tischkante. Herr Erling holte ihm sofort den Becher und reichte ihm diesen mit einem höfischen Neigen, dann setzte sich der Ritter neben Lavrans auf die Bank.
„Es ist wenig wahrscheinlich, Haftor“, sagte Erlend, „daß ihr da oben in Haalogaland wissen könnt, was Frau Ingebjörg und ihre Ratgeber von dem Vorhaben der Dänen ahnen. Ich weiß nicht, ob ihr nicht kurzsichtig wart, als ihr euch der Bitte des Königs um Hilfe widersetztet. Herr Knut - ja, wir können ja ebensogut seinen Namen nennen, ist doch er es, den wir alle in unseren Gedanken haben, er scheint mir nicht der Mann zu sein, der sich im Schlaf überrumpeln läßt. Ihr seid zu weit von den
großen Fleischtöpfen entfernt, als daß ihr riechen könntet, was darin siedet. Und besser vorbedacht als nachgeschaut, sage ich.“
„Ja“, sagte Herr Erling. „Man könnte beinahe sagen, sie kochen für uns im Nachbarhof, wir Norweger sind schon bald wie die Unmündigen; man schickt uns durch die Türe die Grütze herein, die sie in Schweden gekocht haben - friß sie, wenn du zu essen haben willst! Dies war ein Fehler,
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