Kristin Lavranstochter 1
angeboten.
Auch Simon und Erlend waren gute Freunde, wenn sie zusammentrafen, aber sie suchten gegenseitig ihre Gesellschaft nicht auf. Kristin empfand weiterhin eine heimliche Scheu vor Simon Darre - um deswillen, was er von ihr wußte, und mehr noch deshalb, weil sie daran dachte, daß er damals mit Ehren dagestanden hatte und Erlend mit Schmach. Es machte sie rasend, wenn sie daran denken mußte, daß Erlend selbst dies anscheinend hatte vergessen können. So war sie nicht immer sehr freundlich zu ihrem Mann. War Erlend dann in der Laune, ihre Gereiztheit gutmütig und mit Sanftmut zu ertragen, dann ärgerte es sie, daß er sich ihre Worte nicht zu Herzen gehen ließ. Ein anderes Mal konnte es geschehen, daß seine Geduld sehr kurz war, und dann wurde er heftig, sie aber gab scharfe und kalte Antworten.
Eines Abends saßen sie in der Feuerstube auf Jörundhof. Lavrans fühlte sich immer noch in diesem Hause am wohlsten, besonders bei Regenwetter und schwerer Luft wie heute, denn drüben in der Großstube unter dem Oberstockwerk war die Decke niedrig, und dort wurde der Rauch des Feuers lästig, während in der Feuerstube der Rauch unter dem Firstbalken hinzog, selbst wenn man des Wetters halber das Rauchloch schließen mußte.
Kristin saß an der Feuerstätte und nähte; sie war schlechter Laune und langweilte sich. Ihr gegenüber nickte Margret über ihrer Arbeit ein und gähnte von Zeit zu Zeit; die Kinder lärmten und tobten im Raume. Ragnfrid war auf Formo, und der größere Teil des Gesindes befand sich draußen. Lavrans saß in seinem Hochsitz und Erlend zuoberst auf der äußeren Bank; zwischen ihnen lag das Schachbrett, und sie schoben die Figuren schweigend und nach vielem Nachdenken hin und her. Einmal waren Ivar und Skule im Begriff, einen jungen Hund zwischen sich in Stücke zu reißen, Lavrans stand auf und nahm ihnen das schreiende kleine Tier weg; er sagte nichts, sondern setzte sich mit dem Hund auf dem Schoß wieder zum Spiel.
Kristin trat zu ihnen hin, legte eine Hand auf die Schulter ihres Mannes und sah so dem Spiel zu. Erlend war viel weniger tüchtig im Schachspiel als der Schwiegervater, so daß er meistens verlor, wenn sie des Abends spielten, aber das ertrug er geduldig und gleichmütig. An diesem Abend spielte er sehr schlecht. Kristin stand dabei und machte ihm deshalb Vorwürfe - nicht sehr sanft und freundlich. Da sagte Lavrans schließlich ein wenig ungehalten:
„Wie kann auch Erlend seine Gedanken beim Spiele haben, wenn du so dastehst und ihn beunruhigst. Was willst du hier, Kristin - aufs Brettspiel hast du dich noch nie verstanden!“ „Nein, Ihr meint gewiß, ich verstünde mich auf nichts.“
„Auf eines verstehst du dich nicht, das sehe ich“, sagte der Vater scharf, „und zwar darauf, wie es sich für eine Frau geziemt, zu ihrem Gatten zu sprechen. Es wäre besser, du wiesest deine Kinder zur Ruhe - sie treiben es ja schlimmer als die Wilde Jagd.“
Kristin ging hin und setzte ihre Kinder in einer Reihe auf die Bank und nahm selbst bei ihnen Platz.
„Seid jetzt still, meine Söhne“, sagte sie, „euer Muttervater will nicht, daß ihr hier in der Stube spielt und scherzt.“
Lavrans blickte zur Tochter hinüber, schwieg jedoch. Bald darauf kamen die Kindsmägde herein, und Kristin, die Mägde
und Margret gingen mit den Kindern, um sie ins Bett zu legen. Erlend sagte, als er mit dem Schwiegervater allein war:
„Ich wollte, Schwiegervater, Ihr hättet Kristin nicht so zurechtgewiesen. Wenn es ihr ein Trost ist in ihrer schlechten Laune, auf mich zu hacken, dann ... Mit ihr reden nützt nichts, und sie verträgt es nicht, daß einer ein Wort über ihre Kinder sagt.“
„Und du“, fragte Lavrans, „gedenkst du es zu dulden, daß deine Söhne so ohne Zucht aufwachsen? Wo stecken sie denn immer, die Mägde, die die Kinder hüten und auf sie achten sollen?“
„In Euerer Knechtestube, denke ich“, sagte Erlend lachend und dehnte sich. „Aber ich wage nicht, zu Kristin ein Wort über ihre Mägde zu sagen - da wird sie furchtbar zornig, und dann gibt sie mir zu hören, daß wir, sie und ich, anderen auch kein Beispiel gewesen wären.“
Am Tag darauf war Kristin draußen und pflückte am Rande einer Wiese südlich des Hofes Erdbeeren; da rief ihr Vater von der Türe der Schmiede ihr zu und bat sie, zu ihm zu kommen.
Kristin kam, ein wenig widerwillig. Es handelte sich wohl wieder um Naakkve - an diesem Morgen hatte er ein Gatter aufgemacht, und die Kühe
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