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Kristin Lavranstochter 1

Titel: Kristin Lavranstochter 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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glaube an jenen Allmächtigen, ich glaube an den eingeborenen Sohn, ich glaube an den stärksten Geist. Und dann sprachen sie: Gegrüßest seist du, Fraue, die die gesegnete ist unter den Weibern, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, der Trost aller Welt.“
    Kristin blickte scheu zu dem mageren, wetterharten Gesicht des Vaters auf. In der hellen Sommernacht schien es so von Sorgen und Grübeleien zerfurcht, wie sie es noch nie gesehen hatte.
    „Das habt Ihr mir nie früher erzählt“, sagte sie leise.
    „Wirklich? Ach nein, ich dachte wohl, du könntest schwerere Gedanken davon bekommen, als du mit deinen Jahren zu tragen vermöchtest. Sira Eirik sagt, es stehe beim Apostel Sankt Paulus geschrieben, nicht die Menschheit allein seufze unter Qualen ..
    Eines Tages saß Kristin auf der obersten Stufe der Treppe, die zum Oberstockwerk führte, und nähte, als Simon auf den Hof geritten kam und unterhalb ihres Platzes anhielt, jedoch ohne sie zu erblicken. Die Eltern kamen beide heraus. Nein, Simon wollte nicht absteigen, Ramborg habe ihn nur gebeten, wenn er einmal vorbeikäme, nachzufragen, ob sie das Schaf, das ihr Lieblingslamm gewesen sei, etwa auf die Bergweide gegeben hätten; sie wolle es bei sich haben.
    Kristin sah, wie ihr Vater sich den Kopf kratzte. Ramborgs Schaf, ja ... Er lachte vor Zorn. Das war nun schlimm, er hatte gehofft, sie würde es vergessen haben. Denn er hatte jedem seiner beiden ältesten Tochtersöhne eine kleine Axt geschenkt, und als erstes hatten sie diese dazu benutzt, Ramborgs Schaf zu erschlagen.
    Simon lachte ein wenig.
    „Ja, die Buben von Husaby, das sind ein paar Kerle ...“
    Kristin lief die Treppe hinab, löste ihre silberne Schere von der Gürtelkette.
    „Gib das Ramborg als Buße dafür, daß meine Söhne ihr Schaf erschlugen - ich weiß, sie hat sich diese Schere gewünscht, seit sie klein war. Niemand soll sagen, daß meine Söhne...“ Sie hatte heftig gesprochen, jetzt schwieg sie jäh. Ihr Blick war auf ihre Eltern gefallen, diese sahen Kristin unwillig und erstaunt an.
    Simon nahm die Schere nicht, er schien verlegen zu sein. Da wurde er Björgulvs gewahr und ritt zu ihm hin, beugte sich hinunter und hob den Knaben vor sich in den Sattel.
    „So, du treibst Raub hier in unseren Tälern - du bist jetzt mein Gefangener, und morgen können deine Eltern zu mir hinüberkommen, dann wollen wir über das Lösegeld verhandeln.“
    Damit grüßte er lachend zurück und ritt mit dem Knaben weg, der in seinen Armen lachte und zappelte. Simon hatte sich mit den Erlendssöhnen sehr angefreundet; Kristin erinnerte sich, daß er stets die Zuneigung von Kindern besessen hatte; ihre kleinen Schwestern hatten ihn geliebt. Es stimmte sie seltsam böse, daß er Kinder so gern hatte und eine solche Gabe besaß, mit ihnen zu spielen, während ihr Gemahl so wenig auf Kindergeschwätz hören mochte.
    Am Tag darauf, als sie auf Formo waren, merkte sie übrigens, daß Simon bei seinem Weib keinen großen Dank für diesen kleinen Gast geerntet hatte.
    „Niemand wird erwarten, daß Ramborg sich schon viel aus Kindern macht“, sagte Ragnfrid, „sie ist ja selbst kaum der Kindheit entwachsen. Das wird schon anders werden, wenn sie einmal älter ist.“
    „Das wird es wohl.“ Simon und seine Schwiegermutter wechselten einen Blick und ein ganz kleines Lächeln. Ja, dachte Kristin - es sind ja bald zwei Monate vergangen seit der Hochzeit.
    Zerrissen und unruhigen Gemütes, wie Kristin jetzt war, ließ sie ihre Laune an Erlend aus. Er nahm diesen Aufenthalt auf dem Hof des Vaters seines Weibes zufrieden und vergnügt hin wie ein rechtschaffener Mann. Mit Ragnfrid hielt er gute Freundschaft, und er ließ deutlich erkennen, daß er seinen Schwiegervater herzlich liebte; auch Lavrans schien den Eidam gut leiden zu können. Kristin aber war nun so empfindsam geworden, daß sie fühlte, wie in der Güte ihres Vaters gegen Erlend viel von jener nachsichtigen Zartheit lag, die Lavrans stets für jedes Lebewesen übrig hatte, das ihm nicht tüchtig genug schien, um selbst zurechtzukommen. Seine Liebe zu dem anderen Tochtersohn war nicht so geartet - dem Simon begegnete er wie einem Freund und Genossen. Und obgleich Erlend dem Schwiegervater im Alter viel näher stand als Simon, so sagten Simon und Lavrans du zueinander, während von Anfang an, seitdem Erlend mit Kristin verlobt war, Lavrans du zu ihm und Erlend Ihr zum Vater gesagt hatte. Lavrans hatte ihm nie eine Änderung hierin

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