Kristin Lavranstochter 1
Erlend saß in eigene Gedanken vertieft, mit frohen Augen wie stets, wenn er auf etwas Neues ausziehen sollte, jedoch bei den Reden der anderen zerstreut. Lavrans nippte nur von dem Wein,-und Herr Erling war still.
„Du siehst müde aus, Verwandter“, sagte Erlend zu ihm.
Ja, sie hätten hartes Wetter gehabt, als sie heute nacht über die Husastadtbucht gefahren seien; er sei nicht schlafen gegangen.
„Und du mußt scharf reiten, wenn du zum Tag der Lavransmesse nach Tunsberg kommen willst. Viel Ruhe und Behaglichkeit wirst du wohl auch dort nicht finden. Ist Meister Paal jetzt beim König?“
„Ja. Kommst du nicht nach Tunsberg?“
„Es müßte, denn sein, um den König zu fragen, ob er seiner Mutter einen liebevollen Sohnesgruß entbieten will!“ Erlend lachte. „Oder ob Bischof Audfinn der hohen Frau einen Gruß senden will.“
„Viele wundern sich darüber, daß du nach Dänemark fährst, jetzt, da die Großen des Reiches in Tunsberg Zusammenkommen“, sagte Herr Erling.
„Ja, ist es nicht seltsam, daß die Leute sich immer über mich wundern müssen? Ich kann doch wohl Lust haben, wieder ein
weniges von den Sitten und Gebräuchen zu sehen, die ich nicht mehr gesehen habe, seit ich zum letztenmal in Dänemark war, wieder einmal im Turnier dabeizusein - besonders jetzt, da unsere Verwandte uns geladen hat. Kein anderer von ihren Verwandten hier im Lande will sie ja jetzt anerkennen, außer Munan und mir.“
„Munan?“ Erling runzelte die Stirn. Dann lachte er. „Steckt noch soviel Leben in dem alten Saubären, hätte ich beinahe gesagt, daß er seinen Speck noch von der Stelle rühren kann? So, er will ein Turnier veranstalten, Herzog Knut. Munan soll wohl auch in die Schranken reiten?“
„Ja - es ist ein Jammer, Erling, daß du nicht mitkommen und diesen Anblick genießen kannst.“ Auch Erlend lachte. „Ich merke wohl, du fürchtest, Frau Ingebjörg könnte uns zu diesem Kindsbier geladen haben, damit wir ein anderes Bier brauen und sie dazu bitten sollen. Du weißt doch selbst am allerbesten, mein Schritt ist zu schwer, und mein Herz ist zu leicht, als daß ich mich zu Schlichen eignen würde. Und dem Munan habt ihr ja ohnehin jeden einzelnen Zahn ausgezogen.“
„Ach nein, von dieser Seite befürchten wir wohl kaum besondere Schliche. Darüber muß Ingebjörg Haakonstochter sich nun doch klar sein, daß sie durch ihre Heirat mit Porse alles Recht in ihrem eigenen Land verspielt hat. Für sie ist es nicht geraten, ihren Fuß über die Schwelle hier zu setzen, seitdem sie ihre Hand in die jenes Mannes gelegt hat, von dem wir nicht einmal den kleinen Finger innerhalb unserer Landesgrenzen sehen wollen:“
„Ja, es war klug von euch, den Knaben von seiner Mutter zu trennen“, sagte Erlend finster. „Noch ist er nur ein Kind - und schon haben wir Männer Norwegens allen Grund, den Kopf hoch zu tragen, wenn wir an den König denken, dem wir die Treue geschworen haben.“
„Schweig still“, sagte Erling Vidkunssohn leise und verzweifelt. „Das - ist gewißlich unwahr.“
Die beiden anderen konnten ihm ansehen, daß er wußte, wie wahr es war. Obgleich König Magnus Eirikssohn noch ein Kind war, sollte er doch bereits von einer Sünde angesteckt sein, die unter christlichen Männern zu nennen sich nicht geziemte. Ein schwedischer Schreiber, der das Amt hatte, ihn während seines Aufenthaltes in Schweden im Lesen der Bücher zu unterweisen, hatte ihn auf unnennbare Weise irregeführt.
Erlend sagte:
„Auf jedem Hof und in jedem Unterschlupf hier im Norden bei uns flüstern sich die Leute zu, die Christkirche sei abgebrannt, weil der König unwürdig sei, auf Sankt Olavs Platz zu sitzen.“
„Um Gottes willen, Erlend - ich sage, es ist ungewiß, ob es auf Wahrheit beruht! Und wir müssen doch glauben, daß dieses Kind, König Magnus, in Gottes Augen ohne Schuld ist. Er kann sich rein waschen. Du sagst, wir hätten ihn von seiner Mutter getrennt! Ich sage, Gott strafe die Mutter, die ihr Kind so im Stich läßt, wie Ingebjörg ihren Sohn im Stich gelassen hat; vertraue nicht auf eine solche Frau, du, Erlend - vergiß nicht, daß es treulose Menschen sind, mit denen du jetzt Zusammentreffen wirst!“
„Ich meine, sie haben einander die Treue gut genug gehalten. Aber du, du redest, als fiele dir jeden Tag ein Himmelsbrief in den Schoß - darum glaubst du wohl, dir anmaßen zu dürfen, es mit Kirchenfürsten aufzunehmen.“
„Nein, hör jetzt auf, Erlend. Sprich von dem, was du
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