Kristin Lavranstochter 1
waren in einen Gerstenacker gelaufen.
Der Vater nahm ein glühendes Eisen aus dem Feuer und legte es auf den Amboß. Die Tochter setzte sich und wartete, und lange war kein anderer Laut außer den Hammerschlägen auf dem funkensprühenden Eisen und die singende Antwort des Ambosses zu hören. Schließlich fragte Kristin, was er von ihr wolle.
Das Eisen war jetzt kalt. Lavrans legte Zange und Vorhammer weg und trat zu ihr. Gesicht und Haar voller Ruß, schwarz an Kleidern und Händen und mit dem großen Schurzfell sah er strenger aus als sonst.
„Ich rief dich zu mir, meine Tochter; denn ich wollte dir dieses sagen: Hier auf meinem Hof mußt du deinem Gemahl jene Ehrfurcht erweisen, die sich für eine Gattin geziemt. Ich will nicht hören, daß meine Tochter ihrem Manne so antwortet, wie du gestern Erlend geantwortet hast.“
„Es ist neu, Vater, daß Ihr meint, Erlend sei ein Mann, dem man Ehrfurcht zu erweisen hätte.“
„Er ist dein Mann“, sagte Lavrans. „Ich habe doch wahrlich nicht Gewalt gegen dich angewandt, um diese Heirat zustande zu bringen. Das magst du bedenken.“
„Ihr seid so gute Freunde“, antwortete Kristin. „Hättet Ihr ihn damals so gekannt, wie Ihr ihn jetzt kennt, so hättet Ihr es sicher gern getan.“
Der Vater blickte auf sie hinab, ernsthaft und betrübt.
„Jetzt redest du übereilt, Kristin, und sagst etwas, von dem du weißt, daß es nicht wahr ist. Ich versuchte nicht, dich mit Zwang zu halten, als du deinen richtigen Verlobten wegwerfen wolltest, obwohl du weißt, daß ich Simon herzlich liebhabe.“
„Nein - aber auch Simon wollte mich ja nicht haben, darum ..
„Ach. Er war zu hochgesinnt, als daß er starr auf seinem Recht bestanden hätte, da du ihn nicht wolltest. Aber ich weiß nicht, ob er in seinem Herzen so sehr dagegen gewesen wäre, hätte ich so gehandelt, wie Andres Darre wollte - und nicht den Einfällen nachgegeben, die ihr beiden jungen Leute hattet. Und fast weiß ich nicht, ob nicht der Ritter recht hatte - nun, wenn ich sehe, daß du mit jenem Gemahl nicht geziemend leben kannst, den du dir ertrotzt hast.“
Kristin lachte laut und häßlich.
„Simon! Nie hättet Ihr Simon mit Gewalt dazu bringen können, die Frau zu heiraten, die er mit einem anderen Mann in einem solchen Hause angetroffen hatte!“
Lavrans rang nach Luft.
„Haus?“ sagte er unwillkürlich.
„Ja - eines, das ihr Männer ein Dirnenhaus nennt. Jene, die es besaß, war Munans Buhlerin, sie selbst warnte mich davor, dorthin zu gehen. Ich sagte, ich wolle meinen Verwandten dort treffen - ich wußte nicht, daß er ihr Verwandter war“, sie lachte abermals, wild und häßlich.
„Schweig!“ sagte der Vater.
Eine Weile stand er da. Ein Zittern lief über sein Gesicht -ein Lächeln, das wie ein Erbleichen war. Sie mußte an die Laubhänge am Berge denken, wie sie erbleichen, wenn der Windstoß jedes Blatt umwendet - ein zitterndes und bleiches Leuchten.
„Der erfährt viel, der nicht fragt...“
Kristin brach auf ihrer Bank zusammen, stützte sich auf den einen Ellbogen und hob die andere Hand vor ihre Augen. Zum erstenmal hatte sie Angst vor ihrem Vater - Todesangst.
Er wandte sich von ihr ab, ging hin und nahm den Vorhammer, stellte ihn auf seinen Platz zwischen dem anderen Werkzeug. Dann sammelte er Feilen und die kleinen Gerätschaften, machte sich daran, auf den Querbalken zwischen den Wänden alles in Ordnung zu legen. Er stand mit dem Rücken zu ihr; seine Hände zitterten heftig.
„Hast du nie daran gedacht, Kristin ... Erlend verschwieg das.“ Lavrans stand vor ihr, blickte auf das furchtsame weiße Gesicht hinab. „Ich erwiderte ihm nein, ins Gesicht hinein, als er in Tunsberg mit seinen reichen Verwandten zu mir kam und um dich freite - dachte ich doch nicht, ich sei es, der ihm Dank schulde dafür, daß er die Ehre meiner Tochter wiederaufrichten wollte. Manch ein anderer Mann hätte es mich wissen lassen. Er aber kam wieder, warb um dich mit allen Ehren. Nicht alle Männer wären so eifrig bemüht gewesen, ein Mädchen zur Ehe zu gewinnen, das bereits - bereits so weit war wie du damals.“
„Dies, denke ich, hätte kein Mann Euch zu sagen gewagt“, meinte Kristin.
„Den kalten Stahl hat Erlend noch nie gefürchtet“, Lavrans’ Gesicht bekam plötzlich einen unsagbar müden Ausdruck, seine Stimme sank tot und klanglos zusammen. Dann aber raffte er sich wieder auf, still und starr. „So schlimm es auch ist, Kristin - am schlimmsten dünkt es mich,
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