Kristin Lavranstochter 1
daß du es aussprichst, jetzt, nachdem er dein Mann und der Vater deiner Söhne ist.
Verhält es sich so, wie du sagst, dann wußtest du das Schlimmste über ihn, noch ehe du dir ertrotztest, ihn heiraten zu dürfen. Er war doch bereit, dich so teuer zu erkaufen, als wärest du eine ehrliche Jungfrau. Viel Freiheit im Herrschen und Befehlen hat er dir vergönnt; so magst du nun deine Sünde dadurch wiedergutmachen, daß du mit Verstand herrschest und dort ausgleichst, wo es Erlend an Vorsicht gebricht - das bist du Gott und deinen Kindern doch wohl schuldig.
Ich selbst habe gesagt, und andere haben das gleiche gesagt -Erlend scheine zu nichts anderem zu taugen als dazu, Frauen zu verführen. Auch du bist mit schuld daran, daß solches gesagt wurde - das hast du nun selbst bewiesen. Seither hat er gezeigt, daß er auch zu anderem taugt; dein Mann hat sich durch Mut und Raschheit im Kriegszug einen guten Namen erworben. Es ist kein geringer Gewinn für deine Söhne, daß ihr Vater in den Ruf der Kühnheit und Waffentüchtigkeit gekommen ist. Daß er - unverständig war, das mußtest du am besten von uns allen wissen. Am besten löschest du deine Schande aus, indem du den Gemahl, den du dir selbst erwählt hast, ehrst und ihm hilfst.“
Kristin war zusammengesunken, den Kopf in den Händen. Jetzt blickte sie auf, bleich und verzweifelt.
„Grausam war es von mir, Euch dieses zu sagen. Oh - Simon bat mich, es war das einzige, worum er mich bat, ich möchte es Euch ersparen, das Ärgste zu hören.“
„Simon bat dich, mich zu schonen?“ Sie hörte das verletzte Gefühl aus seiner Stimme heraus. Und sie begriff, wie grausam auch dies von ihr war, ihm zu sagen, daß ein Fremder glaubte, sie daran erinnern zu müssen, ihren Vater zu schonen.
Da setzte sich Lavrans neben sie hin, nahm ihre eine Hand zwischen seine beiden und legte sie auf sein Knie.
„Grausam war es, meine Kristin“, sagte er mild und kummervoll. „Gut bist du zu allen, mein gutes Kind, aber ich habe auch schon früher bemerkt, daß du grausam sein kannst gegen jene, die du allzusehr liebst. Um Jesu willen, Kristin, erspare es mir, daß ich mich so um dich ängstigen muß, daß dieser dein wilder Sinn noch mehr Kummer über dich und die Deinen bringt. Du gebärdest dich wie ein Fohlen, das zum erstenmal an die Deichsel gespannt wird, dort, wo du dich mit deinem Herzen verbunden fühlst.“
Schluchzend sank sie zu ihm hinüber, und der Vater umschloß sie eng und fest mit den Armen. So blieben sie lange sitzen, Lavrans schwieg. Endlich hob er ihren Kopf.
„Nun bist du schwarz geworden“, sagte er mit einem Lächeln. „Dort im Winkel liegt ein Tuch - aber du wirst wohl nur noch schwärzer davon. Du mußt hinübergehen und dich waschen -jetzt können dir alle ansehen, daß du auf dem Schoß des Schmiedes gesessen hast.“
Er schob sie sanft zur Tür hinaus, schloß diese und stand eine Weile still. Dann wankte er die wenigen Schritte zur Bank hin, sank nieder und blieb dort sitzen, den Nacken gegen einen Wandbalken gestützt und das verzerrte Gesicht nach oben gewandt. Er preßte mit aller Kraft die eine Hand gegen das Herz. Es dauerte ja nie so lange. Die Atemnot, der schwarze Schwindel; der Schmerz strömte vom Herzen in die Glieder aus, es kämpfte und bebte, tat einige harte Schläge und stand zitternd wiederum still. Das Blut hämmerte in den Halsadern.
Nach einer Weile würde es wohl vergehen. Es ging stets vor-
über, wenn er ein wenig stillgesessen hatte. Aber es kam wieder, öfter und öfter.
Erlend hatte mit seiner Schiffsmannschaft verabredet, mit ihr am Abend der Jakobsmesse auf Veöy zusammenzutreffen, blieb aber einige Zeit länger auf Jörundhof, um mit Simon einen Raubbären zu jagen, der unter dem Almvieh gehaust hatte. Als er von dieser Jagd heimkehrte, war Nachricht für ihn da, daß einige seiner Männer mit den Leuten in der Stadt Händel angefangen hätten, und er mußte eilen, um sie auszulösen. Auch Lavrans hatte dort etwas zu tun, und so ritt er mit dem Eidam.
Als sie auf der Insel anlangten, ging es aufs Ende der Olavsmesse zu. Erling Vidkunssohns Schiff lag dort, und bei der Abendmesse trafen sie den Reichsverweser in der Peterskirche. Er begleitete sie in den Mönchshof, wo Lavrans Herberge genommen hatte, speiste mit ihnen und sandte seine Männer zum Schiff hinunter nach einem besonders guten französischen Wein, den er in Nidaros gekauft hatte.
Aber das Gespräch schlich träge dahin, während sie tranken.
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