Kristin Lavranstochter 1
in der Stube lachten sehr, und Gyrd und Jon riefen, Frau Aashild solle noch mehr solcher Geschichten erzählen. Aber die Frau sagte nein. „Hier sitzen zwei Priester und Bruder Aasgaut und junge Burschen und Dienstmägde; jetzt wollen wir aufhören, bevor die Reden unschicklich und derb werden, und wollen uns daran erinnern, daß Feiertag ist.“
Die Männer erhoben lauten Einspruch, aber die Frauen stimmten Frau Aashild bei. Niemand beachtete, daß Ragnfrid 'die Stube verlassen hatte. Bald darauf mußte Kristin, die zuunterst auf der Frauenbank zwischen den Dienstmädchen gesessen hatte, schlafen gehen. Sie schlief in Tordis’ Stube, denn es waren so viele Gäste auf dem Hof.
Es war beißend kalt, und die Nordlichter flammten und flackerten über den Bergstirnen im Norden. Der eisige Schnee schrie unter Kristins Füßen, als sie, vor Kälte schaudernd, die Arme über der Brust gekreuzt, über den Hofplatz lief.
Da gewahrte sie, daß im Schatten des alten Hauses eine Gestalt heftigen Schrittes im Schnee auf und ab ging, mit den Armen um sich schlug, die Hände rang und laut stöhnte. Kristin erkannte die Mutter, lief erschrocken zu ihr hin und fragte, ob sie krank sei.
„Nein, nein“, sagte Ragnfrid heftig. „Ich mußte nur hinausgehen - geh und leg dich schlafen, Kind.“
Kristin drehte sich um, da rief die Mutter leise:
„Geh in die Stube und lege dich beim Vater und bei Ulvhild schlafen - nimm du sie in die Arme, damit er sie nicht aus Unachtsamkeit drückt. Er schläft so schwer, wenn er betrunken ist. Ich schlafe heute nacht hier im alten Haus.“
„Jesus, Mutter“, sagte Kristin, „Ihr friert, wenn Ihr da oben schlaft - noch dazu allein. Und was glaubt Ihr, was der Vater sagen wird, wenn Ihr heute nacht nicht ins Bett kommt?“
„Er merkt es nicht“, erwiderte die Mutter, „er schlief schon fast, als ich wegging, und morgen erwacht er spät. Geh und tue, wie ich dir gesagt habe.“
„Es wird so kalt für Euch“, sagte Kristin schaudernd, aber die Mutter wies sie zurück, ein wenig sanfter, und schloß sich in das Haus ein.
Es war drinnen ebenso kalt wie draußen und stockdunkel. Ragnfrid tastete sich zum Bett hin, riß sich das Kopftuch herunter, löste ihre Schuhe und kroch zwischen die Felle. Die ließen sie erstarren; es war, als sinke sie in einen Gletscher. Sie kroch mit dem Kopf unter die Felle, zog die Beine an und schob die Hände an den Busen - so lag sie da und weinte, bisweilen ganz leise mit strömenden Tränen, bisweilen schrie sie auf und knirschte mit den Zähnen. Endlich hatte sie doch das Bett rings um sich so weit erwärmt, daß sie schläfrig wurde, und so weinte sie sich in den Schlaf.
5
In jenem Jahre, in dem Kristin im Frühling ihr fünfzehntes Lebensjahr vollendete, verabredeten Lavrans Björgulvssohn und Ritter Andres Gudmundssohn von Dyfrin eine Zusammenkunft auf dem Holledis-Thing. Dabei sprachen sie davon, daß Andres’ zweiter Sohn, Simon, sich mit Kristin Lavranstochter verloben und Formo, Herrn Andres’ mütterliches Erbe, bekommen solle. Die Männer verabredeten dies mit Handschlag, es wurde jedoch keine Urkunde darüber aufgesetzt, weil Andres erst noch das Erbe seiner anderen Kinder ordnen mußte. Es wurde auch kein Verspruchsbier getrunken, aber Ritter Andres und Simon kamen mit nach Jörundhof, um die Braut anzusehen, und Lavrans hielt ein großes Gastgelage für sie.
Lavrans hatte nun sein neues Wohnhaus mit einem Oberstock und mit gemauerten Feuerstätten, in der Stube wie auch im Dachraum, errichtet, es reich und schön mit Holzschnitzereien ausgestattet und mit allem wohl versehen. Er hatte auch das alte Haus umgebaut und im übrigen die Häuser ausgebessert, so daß er nun so wohnte, wie es sich für einen waffentragenden Mann geziemte. Er besaß jetzt großen Wohlstand, denn seine Unternehmungen waren vom Glück begünstigt gewesen, und er war ein kluger und bedachtsamer Hausvater. Namentlich bekannt war er seiner Zucht der prächtigsten Pferde und des schönsten Viehs wegen. Und seitdem er es nun erreicht hatte, daß seine Tochter mit einem Sohn aus der Dyfrin-Sippe verheiratet werden und nach Formo kommen sollte, schien es den Leuten, er habe seinen Vorsatz, der erste Mann im Tale zu werden, gut zu Ende geführt. Er selbst und Ragnfrid waren denn auch sehr zufrieden, und das gleiche waren Herr Andres und sein Sohn.
Kristin war ein wenig niedergeschlagen, als sie Simon Andressohn zum erstenmal sah, denn sie hatte so große Worte über
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