Kristin Lavranstochter 1
seine Schönheit und sein höfisches Wesen gehört, daß sie von den höchsten Erwartungen erfüllt gewesen war.
Wohl sah Simon gut aus, aber er war ein wenig zu beleibt für seine zwanzig Jahre, hatte einen kurzen Hals und ein Gesicht so rund und glänzend wie der Mond. Seine Haare waren Sehr schön, braun und lockig, und die Augen grau und klar, aber gleichsam ein wenig eingezwängt, denn die Lider waren dick; die Nase war zu klein, auch der Mund war klein und ein wenig geschürzt, aber nicht häßlich. Und trotz seiner Wohlbeleibtheit war er in allen Bewegungen leicht, behend und geschmeidig und in allen Leibesübungen gewandt. Seine Rede war etwas vorlaut und rasch, aber Lavrans meinte, er zeige doch guten Verstand und auch Kenntnisse, wenn er mit älteren Männern spreche.
Ragnfrid konnte ihn bald gut leiden, und Ulvhild faßte sofort die größte Liebe zu ihm - er begegnete dem kleinen kranken Mädchen auch mit besonderer Liebe und Freundlichkeit. Und als Kristin sich an sein rundes Gesicht und an seine Art zu sprechen ein wenig gewöhnt hatte, war sie richtig wohlzufrieden mit ihrem Bräutigam und freute sich, daß der Vater alles so für sie geordnet hatte.
Frau Aashild war zu Gast geladen. Seitdem die Familie auf Jörundhof sie aufgenommen hatte, hatten auch die großen Sippen in den umliegenden Gemeinden wieder angefangen, sich ihrer hohen Geburt zu erinnern und weniger an die seltsamen Gerüchte über sie zu denken, so daß Frau Aashild jetzt sehr viel mit Menschen zusammenkam.
Sie sagte, als sie Simon gesehen hatte:
„Das ist eine gute Heirat, Kristin, dieser Simon wird Erfolg in der Welt haben - vielerlei Sorgen wirst du entrinnen, und er wird ein freundlicher Mann im Zusammenleben sein. Aber mich dünkt er recht dick und wohlgemut. - Wäre es nun hier in Norwegen noch so, wie es in früheren Zeiten gewesen ist und wie es in anderen Ländern noch ist, daß nämlich die Menschen nicht strenger gegen die Sünder sind als Gott selbst, da würde ich sagen, du sollst dir einen Freund suchen, der mager und schwermütig ist - einen, mit dem du zusammensitzen und plaudern könntest. Dann würde ich sagen, du könntest mit niemand besser fahren als mit Simon.“
Kristin wurde rot, obwohl sie Frau Aashilds Meinung nicht völlig verstand. Aber im Laufe der Zeit und je mehr sich ihre Truhen füllten und sie beständig von ihrer Hochzeit und dem, was sie in ihr neues Heim mitbringen sollte, reden hörte, fing sie an, sich danach zu sehnen, die Sache möchte fest und gültig abgemacht werden und Simon nach dem Norden heraufkommen; schließlich dachte sie ziemlich viel an ihn und freute sich darauf, ihm wieder zu begegnen.
Kristin war jetzt voll erwachsen und sehr schön. Sie glich am meisten ihrem Vater und war groß, schmal um die Mitte, mit
dünnen feinen Gelenken, aber dennoch rund und voll. Ihr Gesicht war etwas kurz und rund, die Stirne niedrig und breit und weiß wie Milch, die Augen groß, grau und sanft unter schöngezeichneten Brauen. Der Mund war ein wenig groß, doch von frischem Rot und voll, und das Kinn apfelrund und wohlgeformt. Sie hatte herrliches reiches und langes Haar, aber es war etwas dunkel von Farbe, mehr braun als blond, und ganz schlicht. Lavrans mochte nichts lieber, als wenn Sira Eirik Kristin rühmte - der Priester hatte das Mädchen aufwachsen sehen, hatte sie lesen und schreiben gelehrt und liebte sie sehr. Aber Lavrans hörte es nicht gerne, wenn der Priester seine Tochter bisweilen mit einer makellosen Jungstute mit seidenglänzendem Fell verglich.
Doch sagten alle Leute, wäre Ulvhild nicht dieses Unglück widerfahren, dann wäre sie noch viele Male schöner geworden als die Schwester. Sie hatte das lieblichste und süßeste Gesicht, weiß und rot wie Lilien und Rosen, besaß weißblondes und seidenweiches Haar, das sich um ihren zarten Hals und die schmalen Schultern lockte und kräuselte. Die Augen glichen denen der Gjesling-Sippe: sie lagen tief unter geraden und schwarzen Brauen und waren wasserklar und graublau, aber der Blick war sanft und nicht scharf. Dazu klang die Stimme des Kindes so rein und lieblich, daß es eine Lust war, ihr zuzuhören, ob sie nun redete oder sang; sie hatte eine rasche Auffassung beim Lernen und bei aller Art von Saitenspiel und Brettspiel, aber wenig Lust zu Handarbeit, denn sie wurde rasch müde im Rücken.
Es sah nicht so aus, als sollte dieses schöne Kind jemals seine volle Gesundheit wiedererlangen. Ein wenig besser war es geworden,
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