Kristin Lavranstochter 1
vergessen, Sira Sigurd, daß unser ehrwürdiger Vater Ingjald auch dein Oberhirte ist - wir in Hamar wissen genug über dich. Du mischest dich in alles auf Sundbu und denkst wohl wenig daran, daß du einem andern Beruf geweiht bist, als Tronds Augendiener zu sein und ihm dabei zu helfen, alles das zu tun, was unrecht ist, so daß er seine Seele in Gefahr bringt und das Recht der Kirche verringert. Hast du nie gehört, wie es ungehorsamen und ungetreuen Priestern ergeht, die sich ihren geistigen Vätern und Vorgesetzten widersetzen? Weißt du nicht, wie die Engel den Sankt Tomas von Kanterborg einmal an die Türe der Hölle führten und ihn hineinspähen ließen? Da verwunderte er sich sehr darüber, daß er dort keinen seiner Priester erblickte, die sich ihm so widersetzt hatten wie du dich deinem Bischof. Er wollte gerade Gottes Barmherzigkeit preisen, denn der heilige Mann gönnte allen Sündern die Erlösung -da bat der Engel den Teufel, den Schwanz ein wenig zu heben, und heraus fuhren mit einem gewaltigen Krach und argem Schwefelgestank alle jene Priester und gelehrten Männer, die der Kirche geschadet hatten. Da wußte er nun, wo sie hingekommen waren.“
„Jetzt lügst du, Mönch“, sagte der Priester. „Auch ich habe diese Sage gehört, aber es waren nicht Priester, sondern Bettelmönche, die wie die Wespen aus dem Wespennest dem Hintern des Teufels entfuhren.“
Der alte Jon lachte am lautesten von allen Dienstleuten und schrie:
„Es waren wohl alle beide, denke ich ...“
„Da muß der Teufel einen gewaltigen Schwanz haben“, sagte Björn Gunnarssohn, und Frau Aashild lächelte und meinte:
„Ja, hast du nicht sagen hören, daß alles Böse einen langen Schwanz nachschleppt...“
„Sei du still, Frau Aashild“, rief Sira Sigurd, „rede du nicht von dem langen Schwanz, den alles Böse nachschleppt. Du sitzest hier, als wärest du die Hausfrau und nicht Ragnfrid. Aber es ist seltsam, daß du ihr Kind nicht zu heilen vermagst - hast du denn das starke Wasser nicht mehr, mit dem du einmal Handel triebst? Das Wasser, das ein zerteiltes Schaf im Sudkessel wieder ganz und die Frau im Brautbett zur Jungfrau machen konnte. Ich habe gar wohl von jener Hochzeit hier im Tale gehört, bei der du der verführten Braut ein Bad bereitet hast...“ Sira Eirik sprang auf, packte den andern Priester an Schulter und Lende und schleuderte ihn quer über den Tisch, so daß Kannen und Krüge umfielen und Speisen und Getränke auf den Tüchern und auf dem Boden umherschwammen; Sira Sigurd blieb mit zerrissenen Kleidern auf dem Boden liegen. Eirik sprang über den Tisch und wollte auf ihn einschlagen, während er den Lärm überbrüllte:
„Halt dein Dreckmaul, du Höllenpriester, der du bist..
Lavrans versuchte sie zu trennen; Ragnfrid stand weiß wie eine Tote an ihrem Tisch und rang die Hände. Da lief Frau Aashild hinzu, half Sira Sigurd wieder auf die Füße und wischte ihm das Blut aus dem Gesicht, sie gab ihm einen Becher Met zu trinken, indes sie sagte:
„Ihr dürft doch nicht so streng sein, Sira Eirik, daß Ihr nicht so spät am Abend und beim Trinken einen Scherz vertragt. Setzt Euch nun nieder, dann sollt Ihr von jener Hochzeit hören. Sie wurde nicht hier im Tale gehalten, auch ist es mir nicht vergönnt, dieses Wasser zu kennen - könnte ich es brauen, dann würden wir nicht auf dem kleinen Hof hier oben im Tale sitzen. Da könnte ich jetzt eine reiche Frau sein und würde irgendwo draußen in den Großgemeinden mein Besitztum haben - in der Nähe der Stadt und der Klöster und der Bischöfe und des Domkapitels“, sagte sie und lächelte den drei geistlichen Männern zu.
„Aber in alten Zeiten soll jemand diese Kunst gekannt haben, denn in König Inges Tagen hat es sich, wie ich glaube, zugetragen, und der Bräutigam war Peter Lodinssohn von Bratteland, aber welche von seinen drei Frauen die Braut war, mag ungesagt bleiben, da von allen dreien Nachkommen leben. Nun, diese Braut hatte wohl Ursache, sich jenes Wasser zu wünschen, und verschaffte es sich auch, und sie hatte sich unten im Brauhaus ein Bad bereitet. Aber noch ehe sie hatte baden können, kam die Frau herein, die ihre Schwiegermutter werden sollte. Sie war müde und schmutzig von dem Ritt zum Hochzeitshof, also zieht sie sich aus und steigt in die Wanne. Sie war eine alte Frau, und neun Kinder hatte sie mit Lodin gehabt. In dieser Nacht aber bekamen sowohl Lodin als auch Peter eine andere Labung, als sie erwartet hatten.“
Die Leute
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