Kristin Lavranstochter 1
nachdem die Eltern mit ihr in Nidaros bei Sankt Olav gewesen waren. Lavrans und Ragnfrid hatten die Reise zu Fuß gemacht, ohne Knecht oder Dienstmagd als Begleitung; sie hatten das Kind den ganzen Weg auf einer Trage zwischen sich getragen. Nach dieser Fahrt wurde Ulvhild so frisch, daß sie mit einem Krückstock gehen konnte. Aber es war nicht zu erwarten, daß sie je gesund genug werden würde, um heiraten zu können, und so mußte sie wohl, wenn die Zeit da war, mit all dem Gut, das ihr zufallen sollte, ins Kloster gegeben werden.
Es wurde nie darüber gesprochen, und Ulvhild selbst merkte es nicht, daß sie sehr viel anders war als andere Kinder. Sie hatte große Freude an kostbaren Dingen und schönen Kleidern, und die Eltern besaßen nicht das Herz, ihr etwas zu verweigern, sondern Ragnfrid säumte und nähte für sie und schmückte sie wie ein Königskind. Einmal, als einige Krämer durch das Tal zogen und die Nacht über auf Laugarbru blieben, durfte Ulvhild die Waren dort ansehen; sie hatten ein Stück bernsteingelben Seidenstoff, und daraus wollte sie unbedingt ein Hemd haben. Lavrans kaufte sonst niemals bei solchen Leuten, die umherzogen und verbotenerweise Handelswaren in den Tälern feilhielten, aber jetzt erwarb er sofort den ganzen Ballen. Er gab Kristin Stoff zu einem Brauthemd, und sie nähte in diesem Sommer daran. Sonst hatte sie nie andere Hemden besessen als solche aus Wolle und ein Leinenhemd zum Festgewand. Aber Ulvhild bekam ein seidenes Hemd für Festtage und ein Sonntagshemd aus Leinwand, dessen oberer Teil aus Seide war.
Lavrans Björgulvssohn besaß nun auch Laugarbru, und dort walteten Tordis und Jon. Bei ihnen war Lavrans’ und Ragnfrids jüngste Tochter Ramborg, die von Tordis gestillt worden war. Ragnfrid wollte das Kind in der ersten Zeit nach der Geburt kaum sehen, denn sie sagte, sie bringe ihren Kindern ein so arges Glück. Doch liebte sie das kleine Mädchen sehr und sandte ihr und Tordis stets Geschenke hinüber; später ging sie dann auch oft nach Laugarbru und sah sich nach Ramborg um, aber sie kam am liebsten, nachdem das Kind eingeschlafen war, und setzte sich dann an sein Bett. Lavrans und die beiden älteren Töchter waren oft auf Laugarbru und spielten mit der Kleinen; sie war ein kräftiges und gesundes Kind, aber nicht so schön wie ihre Schwestern.
Dieser Sommer war der letzte, den Arne Gyrdssohn auf Jörundhof verbrachte. Der Bischof hatte Gyrd versprochen, dem jungen Burschen in der Welt weiterzuhelfen, und im Herbst sollte Arne nach Hamar ziehen.
Kristin hatte wohl begriffen, daß Arne sie sehr gern mochte, aber sie war in vieler Beziehung etwas kindlichen Gemütes, so daß sie nicht viel über diese Sache nachdachte, sondern zu ihm war, wie sie immer gewesen war seit ihrer ersten Kindheit, seine Gesellschaft aufsuchte, sooft sie konnte, und immer an seiner Hand ging, wenn sie daheim oder auf dem Kirchhügel tanzten. Daß die Mutter dies nicht gerne sah, fand sie höchstens ein wenig lustig. Aber sie erwähnte Arne gegenüber niemals Simon oder ihre Heirat, denn sie merkte, daß er schwermütig wurde, wenn man davon sprach.
Arne besaß große Handfertigkeit, und er wollte nun Kristin einen Nähtisch zum Andenken machen. Er hatte Schrein und Tisch fein und schön geschnitzt und war jetzt dabei, in der Schmiede Beschläge und Schloß dazu zu verfertigen. Eines schönen Abends, gegen Ende des Sommers, war Kristin zu ihm hinuntergegangen. Sie hatte ein Wams des Vaters mitgenommen, das sie flicken sollte, setzte sich auf die Steinstufe und begann zu nähen, während sie mit dem Burschen in der Schmiede drinnen plauderte. Ulvhild war bei ihr, hinkte auf ihrer Krücke herum und pflückte Himbeeren, die auf dem Steinwall rings um den Acker wuchsen.
Nach einer Weile trat Arne in die Tür der Schmiede, um sich abzukühlen. Er wollte sich neben sie setzen, aber sie rückte ein wenig zur Seite und bat ihn, sich in acht zu nehmen, damit er nicht die Näharbeit beschmutze, die über ihren Knien lag.
„Ist es jetzt so weit zwischen uns gekommen“, sagte Arne, „daß du mich nicht neben dir sitzen lassen magst, weil du Angst hast, der Bauernbub könnte dich dreckig machen?“
Kristin schaute ihn erstaunt an, dann erwiderte sie:
„Du weißt doch genau, was ich meinte. Aber nimm dein Schurzfell ab, wasch dir den Ruß von den Händen und setz dich ein wenig her zu mir und ruh dich aus“, und sie machte ihm Platz.
Aber Arne legte sich ins Gras vor ihr; da sagte sie
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