Kristin Lavranstochter 1
Königs, und wenn sie nicht gerade mit ihm in Fehde lagen, so hielten sie eine Art Freundschaft mit ihm.
Und soviel Erling verstehen konnte, waren die Männer, die Erlend deckten, eher in dem Kreis der Haftorssöhne zu finden -und unter den jüngeren der vornehmen Männer.
Nun verhielt es sich ja so, daß die Hochzeit des Königs im kommenden Sommer hier im Lande gefeiert werden sollte, dies konnte doch ein passender Anlaß für Herrn Magnus sein, seinen Widersachern Schonung und Milde zu erweisen. Und die Mutter des Königs und Frau Isabel kamen wohl auch zu den Festlichkeiten des Königs. Simons Mutter war ja in ihrer Jugend am Hofe der Königin Isabel gewesen, könnte nicht Simon sich an die hohe Frau wenden oder Erlends Gemahlin mit ihrem Ansuchen um Fürbitte der Braut des Königs und Frau Ingebjörg Haakonstochter zu Füßen fallen?
Simon dachte, es sollte der allerletzte Ausweg sein, daß Kristin vor Frau Ingebjörg knien müßte. Wüßte die Herzogin, was Ehre ist, dann wäre sie längst vorgetreten und hätte Erlend aus seinen Schwierigkeiten befreit. Als er jedoch Erlend gegenüber dies einmal erwähnte, hatte der nur gelacht und gesagt, Frau Ingebjörg habe stets selbst so viele Angelegenheiten und Schwierigkeiten, jetzt sei sie wohl erzürnt, weil nun schlechte Aussichten dafür bestünden, daß ihr liebstes Kind je den Königstitel erhalte.
7
Erst im Frühjahr reiste Simon Andressohn nach Toten im Norden, um sein Weib und seinen zarten Sohn zu holen und sie nach Formo zu begleiten. Er blieb nun eine Weile daheim, um dort nach dem Rechten zu sehen.
Kristin wollte Oslo nicht verlassen. Und sie wagte nicht, der brennendheißen Sehnsucht nach ihren drei Söhnen, die im Tal dort oben lebten, nachzugeben. Sollte sie aushalten und das Leben, das sie nun täglich führen mußte, ertragen, so durfte sie nicht an ihre Kinder denken. Sie hielt aus, sie schien ruhig und mutig, sie sprach mit Fremden und hörte Fremden zu und nahm Rat und Trost entgegen - aber sie durfte nicht aufhören, an Erlend zu denken, nur an Erlend! In den wenigen Augenblicken, in denen sie ihre Gedanken nicht im Griff des Willens festhielt, schossen ihr Bilder und Vorstellungen durch den Kopf: Ivar stand voll gespannter Erwartung mit Simon im Holzschuppen auf Formo, während der Oheim ein Stück Holz für ihn aussuchte und die Scheite in den Händen prüfend hin und her wog. Gautes helles Knabengesicht, männlich entschlossen, wie er vornübergebeugt an jenem grauen Wintertag im vergangenen Herbst in dem Gebirge gegen den Schneesturm kämpfte; sein Schneeschuh glitt zurück, er selbst sank rücklings ein Stück weit über den steilen Abhang hinunter, er fiel tief hinein in den Schnee - und einen Augenblick war er dem Weinen nahe, ein übermüdetes, hilfloses Kind. Die Gedanken wollten zu den beiden Kleinen: Munan konnte jetzt gewiß schon gehen und ein wenig sprechen - war wohl ebenso lieblich, wie die anderen in diesem Alter gewesen waren. Lavrans hatte die Mutter wohl vergessen. Und die beiden Großen im Kloster auf Tautra! Naakkve, Naakkve, ihr Erstgeborener... Was begriffen und was dachten die beiden Großen? Und wie trug es wohl Naakkve in seiner Kindlichkeit, daß sich jetzt wahrscheinlich nichts mehr im Leben so für ihn gestalten würde, wie er selbst und alle anderen gedacht hatten ...
Sira Eiliv hatte ihr einen Brief gesandt, und sie hatte Erlend berichtet, was darin über ihre Söhne stand. Im übrigen sprachen sie nie von ihren Kindern. Sie sprachen nicht von der Vergangenheit und jetzt auch nicht mehr von der Zukunft. Kristin brachte ihm ein Gewandstück oder etwas zu essen, er fragte sie aus, wie es ihr seit dem letztenmal ergangen sei, sie saßen Hand in Hand auf seinem Bett. Dann konnte es geschehen, daß sie in dem kleinen, kalten, schmutzigen und stinkenden Raum einen Augenblick allein blieben - sie drängten sich aneinander in stummer, brennender Liebkosung, hörten, ohne sich darüber klarzuwerden, Kristins Magd mit den Burgknechten draußen auf der Treppe lachen.
Wenn er ihr einmal genommen oder ihr wieder zurückgegeben sein würde, war es früh genug, die Gedanken der Kinderschar und deren veränderten Lebensumständen - all dem anderen in ihrem Leben als nur diesem Manne - zuzuwenden. Sie konnte nicht eine Stunde der Zeit verlieren, die sie zusammen sein durften, und sie wagte nicht, an das Wiedersehen mit den vier Kindern im Norden oben zu denken - so nahm sie es an, als Simon Andressohn sich erbot, allein
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