Kristin Lavranstochter 1
Vidkunssohn fragen, was er zu Kristins Plan meine, daß Simon sie zu Lavrans’ mächtigen Verwandten in Schweden begleiten und von ihnen Verwandten-und Freundeshilfe erbitten solle.
Da sagte sie:
„Nun aber, da du solch eine Nachricht erhalten hast, Schwager, dünkt es mich am richtigsten, du würdest diese Reise nach Aker verschieben - und erst hinauf nach Ringheim reisen und nach Ramborg und deinem Sohn sehen.“
Er mußte sich abwenden, so schwach wurde er. So sehr hatte er darauf gewartet, ob Kristin ihm nicht zeigen würde, daß sie verstand, wie er sich danach sehnte, seinen Sohn zu sehen. Aber als er seiner Bewegung wieder ein wenig Herr geworden war, sagte er mit verlegener Stimme:
„Ich habe so gedacht, Kristin: Gott wird vielleicht den Knaben besser gedeihen lassen, wenn ich geduldig bin und meine Sehnsucht, ihn zu sehen, bezwingen kann, bis es mir gelungen ist, Erlend und dir in eurer Sache ein wenig vorwärtszuhelfen.“ Am nächsten Tag ging er aus und kaufte reiche und prächtige Geschenke für sein Weib und den Knaben - auch für alle Frauen, die bei Ramborg gewesen waren, als sie das Kind gebar. Kristin holte einen schönen silbernen Löffel herbei, den sie von ihrer Mutter her besaß, den sollte Andres Simonssohn haben, ihrer Schwester aber sandte sie die schwere vergoldete Silberkette, die sie als Kind einmal von Lavrans zugleich mit dem Reliquienkreuz erhalten hatte. Dieses trug sie nun an der Kette, die Erlend ihr zur Verlobung geschenkt hatte. Am nächsten Tag gegen Mittag segelte Simon ab.
Am Abend ging das Schiff bei einer Insel im Fjord vor Anker. Simon blieb an Bord, er lag in einem Fellsack, mit ein paar Friesdecken über sich, und sah zum Sternenhimmel auf, wo die Bilder auf und nieder zu schwanken schienen, während das Boot sich auf den schläfrig gleitenden Wellen schaukelte. Das Wasser klatschte, und die Eisschollen scheuerten und stießen dumpf gegen die Schiffswand. Es tat fast gut, zu fühlen, wie die Kälte sich immer tiefer und tiefer in den Körper einschlich. Es beruhigte...
Trotzdem, jetzt war er seiner Sache gewiß, so schlimm, wie es bisher gewesen war, konnte es für ihn nie mehr werden. Jetzt, da er einen Sohn hatte. Er erwartete zwar nicht, daß er den Knaben lieber gewinnen würde als seine Töchter. Aber es war etwas anderes. So herzensfroh die kleinen Mädchen ihn machen konnten, wenn sie mit ihrem Spiel und Lachen und Geschwätz zum Vater kamen, so lieblich das Gefühl war, sie auf den Knien zu haben und das weiche Kinderhaar unter dem Kinn zu spüren - ein Mann stand nicht auf die rechte Art in der Reihe der Männer seiner Sippe, wenn sein Hof und Besitz und die Erinnerung an sein Dasein mit der Hand einer Tochter in eine fremde Sippe übergehen mußten. Jetzt aber - wenn er es zu erhoffen wagte - würde Gott diesem kleinen Knaben gönnen, heranzuwachsen, und auf Formo sollte nun Sohn auf Vater folgen: Andres Gudmundssohn, Simon Andressohn, Andres Simonssohn ... Da war es wie etwas Selbstverständliches, daß er für Andres so dastehen mußte, wie der Vater für ihn selbst dagestanden hatte, als ein redlicher Mann, in seinen geheimen Gedanken ebensosehr wie in seinem offenen Gebaren.
Bisweilen war es so gewesen, daß er nicht wußte, wie er es noch länger ertragen könnte. Hätte er wenigstens ein Anzeichen dafür gesehen, daß Kristin etwas verstand! Aber sie war zu ihm, als sei sie seine leibliche Schwester - um sein Wohl besorgt, freundlich, liebevoll und sanft, und er wußte nicht, wie lange sie noch auf diese Art zusammen in einem Hause leben mußten. Kam ihr denn nie der Gedanke, daß er nicht vergessen hätte? Weil er nun mit ihrer Schwester verheiratet war, konnte er doch nicht ganz vergessen, daß sie beide einmal dazu bestimmt waren, als Eheleute miteinander zu leben ...
Aber nun besaß er diesen Sohn. Er hatte sich stets geschämt, seinen Gebeten eigene Worte hinzuzufügen, ob sie nun einen Wunsch oder einen Dank ausdrücken sollten. Aber Christus und Maria wußten wohl, was er damit meinte, wenn er seit einiger Zeit immer doppelt so viele Paternoster und Ave-Maria am Tag betete. Und damit wollte er fortfahren, solange er von daheim fern war. Und auch im übrigen wollte er seine Dankbarkeit auf eine schöne und freigebige Art zeigen. Dann gewann er vielleicht auch auf dieser Reise Hilfe.
Eigentlich schien es ihm selbst unwahrscheinlich, daß diese Fahrt einen Nutzen bringen sollte. Das Verhältnis zwischen Herrn Erling und dem König war jetzt
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