Kristin Lavranstochter 1
ganz erkaltet. Und wenn der frühere Reichsverweser auch noch so mächtig und selbstbewußt war und auch den jungen König, der ja eine viel schwierigere Stellung hatte als der reichste und höchstgeborene Mann Norwegens, durchaus nicht zu fürchten brauchte, so war doch nicht zu erwarten, daß er durch eine Fürsprache für Erlend Nikulaussohn König Magnus noch mehr gegen sich aufbringen und den Verdacht auf sich lenken wollte, von Erlends Verrat gewußt zu haben. Selbst wenn er daran teilgehabt hatte, ja selbst wenn er hinter der ganzen Sache gestanden hatte, bereit, einzugreifen und sich im selben Augenblick als Landesverweser einsetzen zu lassen, da wieder ein unmündiger König im Lande wäre - konnte er sich doch nicht verpflichtet fühlen, einem Manne zu helfen, der den ganzen Plan um eines schändlichen Liebesabenteuers willen zum Scheitern gebracht hatte. Es war, als vergesse er, Simon, dies halb und halb, wenn er mit Kristin und Erlend zusammen war - denn die beiden schienen sich dessen kaum mehr zu erinnern. Aber dennoch verhielt es sich so: Erlend selbst trug die Schuld, wenn nun aus dem ganzen Plan für ihn selbst und die guten Männer, die durch seine törichte Leichtfertigkeit verraten worden waren, nichts als Unglück herauskam. - Aber es mußten doch alle Wege versucht werden, um Kristin und ihrem Mann Hilfe zu bringen. Und nun begann Simon zu hoffen; denn vielleicht würden Gott und die Jungfrau Maria oder einer jener Heiligen, die er stets mit Opfern und Almosen geehrt hatte, ihn auch hier unterstützen.
Erst ziemlich spät am nächsten Abend kam er nach Aker. Ein Verwalter empfing ihn und gab den Knechten Befehle; einige sollten die Pferde versorgen, andere sollten Simons Knecht in die Gesindestube führen, er selbst aber ging zu der Stube hin-auf, wo der Ritter saß und trank. Gleich danach kam Herr Erling auf den Altan heraus und blieb dort stehen, während Simon die Treppe hinaufstieg; dann hieß er den Gast ziemlich höfisch willkommen und führte ihn in das Gemach, wo Stig Haakonssohn von Mandvik und ein ganz junger Mann, Erlings einziger Sohn, Bjarne Erlingssohn, saßen.
Er wurde recht freundlich empfangen, Diener nahmen ihm die Hüllen ab und trugen Essen und Trinken herein. Aber er erriet, daß die Männer errieten - jedenfalls Herr Erling und Stig -, weshalb er gekommen war, und er fühlte, daß sie sich zurückhielten. Dann begann Stig davon zu sprechen, daß Simon in diesem Teil des Landes ein seltener Gast sei und seinen früheren Schwägern die Türschwellen nicht abnütze - und fragte dann, ob er seit Halfrids Tod einmal südlicher gewesen sei als bis Dyfrin ... Simon antwortete: „Nein, nicht vor diesem Winter.“ Aber jetzt sei er mit der Schwester seiner Frau, Kristin Lavranstochter, die mit Erlend Nikulaussohn verheiratet sei, einige Monate in Oslo gewesen.
Dazu schwiegen sie eine Weile. Dann erkundigte sich Herr Erling höflich nach Kristin und nach Simons Frau und Geschwistern, und Simon erkundigte sich nach Frau Elin und nach Erlings Töchtern und danach, wie es Stig gehe, und fragte nach Neuigkeiten von Mandvik und nach den alten Nachbarn dort.
Stig Haakonssohn war ein beleibter, dunkelhaariger Mann, einige Jahre älter als Simon, es war der Sohn des Herrn Haakon Toressohn, des Halbbruders der Halfrid Erlingstochter, und Brudersohn von Erling Vidkunssohns Gemahlin, Elin Torestochter. Er hatte vor zwei Wintern, als er sich mit dem König verfeindete, sein Amt als Vogt im Skidugau und den Befehl auf der Burg in Tunsberg verloren, lebte im übrigen aber recht gut auf seinem Hof Mandvik, war jedoch kinderlos und Witwer. Simon kannte ihn und hatte sich gut mit ihm gestanden wie mit allen Verwandten seiner ersten Frau - wenn die Freundschaft auch nicht übermäßig warm gewesen war. Er wußte ja so herzlich gut, was sie alle über Halfrids zweite Heirat gedacht hatten - Herrn Andres Gudmundssohns jüngster Sohn war zwar wohlhabend und auch aus guter Sippe, aber eine ebenbürtige Heirat für Halfrid Erlingstochter war er nicht gewesen, und überdies war er zehn Jahre jünger als sie; sie konnten nicht begreifen, warum Frau Halfrid diesem jungen Mann ihre Neigung geschenkt hatte - aber sie mußten ihr gönnen, zu handeln, wie sie wollte, da sie es doch bei ihrem ersten Mann so unerträglich schwer gehabt hatte.
Erling Vidkunssohn hatte Simon bisher nur ein paarmal getroffen, und da war er stets in Begleitung von Frau Elin gewesen und hatte keinen Laut von sich gegeben; niemand
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