Kristin Lavranstochter 2
unter dem Altan gestanden, ohne zu wissen, daß sie ihre Rede hören konnte. Der Lensviksritter hätte so große Freude über den Sohn geäußert, den ihm seine Frau im letzten Winter geboren hatte - er zweifelte nicht im geringsten daran, daß er selbst der Vater war.
„Ja, das muß Baard wohl selber am besten wissen“, hatte Erlend geantwortet. Sie kannte diese seine Stimme - da stand er nun mit niedergeschlagenen Augen und hatte dieses kleine Lächeln in dem einen Mundwinkel. - Herr Baard empfände einen solchen Haß gegen seine Verwandten, die ihn beerbt hätten, wenn er kinderlos gestorben wäre! Aber die Leute sagten, dies sei doch unrecht. „Nun, aber das muß der Mann doch selbst am besten wissen“, sagte Erlend wie zuvor.
„Jaja, Erlend. Dieser Junge allein erbt mehr als die sieben Söhne, die du mit deiner Frau gezeugt hast
„Für meine sieben Söhne will ich schon selber sorgen, Arne!“
Da ging sie hinunter; sie wollte nicht, daß die beiden noch mehr über diese Sache sprachen. Erlend war ein wenig betroffen, als er sie sah. Dann trat er auf sie zu und ergriff ihre Hand, stellte sich so hinter sie, daß ihre Schulter seinen Körper berührte. Sie begriff, so wie er dastand und auf sie herabblickte, wiederholte er ohne Worte seine eben gegebene Versicherung -wollte er seine Frau gleichsam stärken ...
Kristin wurde gewahr, daß Munan ihr ins Gesicht starrte -ein wenig ängstlich. Sie hatte wohl gelächelt - nicht schön. Als aber die Mutter zu ihm hinunterblickte, gab er das Lächeln sofort zurück, unsicher und tastend.
Da zog sie ihn heftig auf ihren Schoß hinauf. Er war klein, klein, noch klein, ihr Jüngster - nicht zu groß, um von seiner Mutter geküßt und liebkost zu werden. Sie blinzelte ihm mit einem Auge zu - er strengte sich an und blinzelte zurück, aber immer wollten sich seine beiden Augen schließen; die Mutter lachte überlaut, und da lachte Munan mit, daß es nur so klang, während Kristin ihn in ihre Arme drückte und preßte.
Lavrans hatte mit dem Hund im Schoß dagesessen. Sie lauschten beide zum Wald hinunter ...
„Das ist der Vater!“ Und voran der Hund, hinterher der Knabe, liefen sie in großen Sprüngen den steilen Hang hinunter.
Kristin blieb noch eine Weile sitzen. Dann stand sie auf und trat auf den Bergabsatz vor. Da kamen sie unten auf dem Pfad einher: Erlend, Naakkve, Ivar und Skule. Sie grüßten zu ihr herauf, übermütig und fröhlich.
Kristin grüßte zurück. Wollten sie die Pferde holen? Nein, antwortete Erlend, Ulv hatte wohl vor, sie heute abend durch Sveinbjörn holen zu lassen. Er, Erlend, und Naakkve wollten weiter hinein, um Renntiere zu jagen, da hatten die Zwillinge Lust gehabt, mitzukommen und sich nach der Mutter umzusehen.
Sie antwortete nicht. Sie hatte alles verstanden, noch ehe sie gefragt hatte. Naakkve führte einen Hund an der Leine mit; er und der Vater waren in grau und schwarz gemusterte Frieskittel gekleidet, die gegen das Geröll wenig abstachen. Bogen trugen sie alle vier.
Kristin fragte nach Neuigkeiten vom Hof, und Erlend erzählte, während sie aufwärts gingen: Ulv war vollauf mit der
Getreideernte beschäftigt, er war ziemlich zufrieden, aber die Halme waren kurz, und das Korn war in der Trockenheit auf den oberen Äckern so schnell reif geworden, daß es schon aus den Ähren fiel. Auch der Hafer war bald reif - sie hätten tüchtig zu tun, sagte Ulv. - Kristin ging dahin und nickte und sagte nichts.
Sic war selbst mit im Stall und melkte. Sie liebte diese Stunde, wenn sie so im Dunkeln saß, den Kopf an den gewölbten Bauch der Kuh lehnte und den süßen Duft der Milch verspürte. Aus dem Dunkel drüben, wo die Stallmagd und der Hirte melkten, antwortete ein singendes Rieseln. Es verlieh solche Ruhe, dieser starke warme Geruch im Stall, das Knarren eines Weidenringes, der Laut von Hörnern, die gegen Holz stießen, von einer Kuh, die in dem aufgeweichten Erdboden des Stalles umhertrat und mit dem Schwanz nach den Fliegen schlug. - Die Bachstelzen, die im Sommer ihr Nest hier gehabt hatten, waren jetzt weggezogen.
Die Kühe waren heute abend unruhig. Blaasida trat mit dem Fuß in den Milchbottich - Kristin schlug nach ihr und schalt sie. Eine andere gebärdete sich wie wild, als Kristin noch kaum zu ihr gekommen war. Sie hatte ein schmerzendes Euter. Kristin zog den Ehering vom Finger und ließ die ersten Milchstrahlen durch ihn laufen.
Unten auf der Heide hörte sie Ivar und Skule: sie schrien und bewarfen den
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