Kristin Lavranstochter 2
in diese Trollnacht hinaus und Luft schöpfen, es war, als sollte sie erdrosselt werden.
Sie saß da und ließ die alten bitteren Gedanken wie gute Bekannte herankommen. Brachte sie mit anderen alten und bekannten Gedanken zusammen - der erheuchelten Wiederaufrichtung Erlends...
Freilich, er verlangte dies nicht von ihr. Er hatte ihr nichts von all dem auferlegt, was sie auf ihre Schultern genommen hatte. Er hatte nur sieben Söhne mit ihr gezeugt. „Für meine sieben Söhne will ich schon sorgen, Arne!“ Gott mochte wissen, was der Mann mit diesen Worten gemeint hatte. Er hatte wohl nichts damit gemeint - es nur gesagt...
Erlend hatte sie nicht gebeten, den Hof Husaby in die Höhe zu bringen. Er hatte sie nicht gebeten, bis aufs Leben um seine Befreiung zu kämpfen. Er hatte es wie ein Fürst ertragen, daß seine Güter vergeudet wurden, daß sein Leben auf dem Spiel stand, daß er alles verlor, was er besaß. Von allem entblößt, fürstlich aufrecht und ruhig, stand er im Unglück da, fürstlich ruhig und aufrecht betrat er den Hof ihres Vaters wie ein fremder Gast.
t
Aber ihre Söhne besaßen alles, was ihr gehörte, mit vollem Recht. Mit vollem Recht besaßen sie Schweiß und Blut und alle Kraft, die sie ihnen geopfert hatte. Da aber hatten wohl auch der Hof und sie selbst ein Recht, sie für sich in Anspruch zu nehmen.
Sie hätte es nicht nötig gehabt, wie irgendein Häuslerweib auf die Alm zu ziehen. Aber es war nun so weit gekommen, daß sie sich daheim gleichsam von allen Seiten bedrückt und beengt fühlte - bis sie nicht mehr atmen zu können glaubte. Und außerdem war es ihr ein Bedürfnis gewesen, sich selbst zu beweisen, daß sie die Arbeit einer Bauernfrau verrichten konnte. Gekämpft und gearbeitet, das hatte sie an jedem Tag und zu jeder Stunde, seitdem sie als Frau auf Erlend Nikulaussohns Hof eingeritten war - und gesehen hatte, daß hier ein Mensch not tat, der dafür kämpfte, das Erbe dessen zu retten, den sie unterm Herzen trug. Wenn der Vater das nicht konnte, so mußte sie es eben können. Jetzt aber tat es not, daß sie sicher wurde -wenn es darauf ankam, so gab es nicht eine Arbeit, die sie früher einmal ihre Mägde und Dienerinnen geheißen hatte und jetzt nicht mit ihren eigenen Händen hätte ausführen können. Der Tag hier oben, an dem sie fühlte, daß ihre Hüften nicht schmerzten, nachdem sie Butter gekirnt hatte, war ein guter Tag. Ein schönes Gefühl war es am Morgen, wenn sie selbst mitkam und das Vieh losband - es war fett und stattlich geworden im Sommer; die Last auf ihrem Herzen wurde leichter, wenn sie bei Sonnenuntergang dastand und den heimkehrenden Kühen entgegenrief. Sie liebte es, die Nahrung unter ihren eigenen Händen wachsen zu sehen - da war es, als reiche sie bis auf die Grundmauern hinab, auf denen die Zukunft ihrer Söhne aufgebaut werden sollte.
Jörundhof war ein guter Hof, aber nicht so gut, wie sie geglaubt hatte. Und Ulv war ein Fremder hier im Tal - es kam vor, daß er Fehler machte und ungeduldig wurde. Nach den Erfahrungen der Leute in diesem Tal konnte man auf Jörundhof immer mit einer guten Heuernte rechnen - sie hatten die Moorwiesen längs dem Fluß und draußen auf den Holmen aber es war kein so gutes Heu, nicht so, wie Ulv es aus dem Drontheimischen gewöhnt war. Er war nicht gewöhnt, daß so viel Moos und Flechten, Heidekraut und Laub als Beifutter gesammelt werden mußte, wie es sich hier als notwendig erwies.
Ihr Vater hatte jeden Fleck seines Besitztums gekannt, hatte die ganze Bauernweisheit besessen von den Launen der Jahre und der Art der einzelnen Äcker bei Nässe und Trockenheit, windigen Sommern oder heißen Sommern, von Tierstämmen, die er durch Geschlechter hindurch selbst gekreuzt, aufgezogen, verkauft und gekauft hatte - eben diese ganze Kenntnis, die hier notwendig war. So gut kannte sie sich auf ihrem Hof nicht aus. Aber dahin würde es noch kommen - und ihre Söhne sollten es lernen.
Aber Erlend hatte niemals derartiges von ihr verlangt. Er hatte sie nicht geheiratet, um sie zu Mühsal und Arbeit zu führen, er hatte sie geheiratet, auf daß sie in seinen Armen schlafen sollte. Und dann, wenn die Zeit um war, lag das Kind an ihrer Seite, forderte seinen Platz in ihrem Arm, an ihrer Brust, in ihrer Fürsorge ...
Kristin stöhnte mit zusammengebissenen Zähnen. Sie saß da und zitterte vor Kälte und vor Zorn.
„Pactum serva - das heißt in unserer Sprache: Halte deine Treue!“
Es war damals gewesen, als Arne
Weitere Kostenlose Bücher