Kristin Lavranstochter 2
um mit den Fingern darin zu wühlen. Lavrans glich ihr selber; graue Augen hatte er und ein rundes Gesicht mit breiter Stirn und weichgerundetem Kinn; die rot und weiße Hautfarbe würde er wohl noch bis tief ins Mannesalter hinein behalten.
Auch Gaute hatte die frische Hautfarbe; er war ganz wie ihr Vater, mit länglichem, vollem Gesicht, eisengrauen Augen und ganz hellem gelbem Haar.
Nur wem Björgulv glich, war schwer zu sagen. Er war der größte ihrer Söhne, breitschultrig, mit mächtigen und starken
Gliedmaßen. Stark gekräuseltes kohlschwarzes Haar wuchs ihm bis tief in die breite weiße Stirn hinein; seine Augen waren blauschwarz, aber seltsam glanzlos, und er blinzelte heftig, wenn er aufblickte. Sie wußte nicht genau, wann dies angefangen hatte, denn sie hatte sich stets dieses Kindes am wenigsten angenommen. Gleich nach seiner Geburt nahm man ihr das Kind weg und gab es einer Pflegemutter, elf Monate danach bekam sie Gaute, und Gaute war die ersten vier Jahre seines Lebens kränklich gewesen. Nach der Geburt der Zwillinge, immer noch leidend und mit einem Schaden im Rücken, hatte sie wiederum den großen Jungen aufheben, herumtragen und pflegen müssen, so daß sie kaum Zeit fand, die beiden jüngsten Kinder anzusehen, außer wenn Frida ihr den schreienden und durstigen Ivar brachte, und während sie dem Säugling die Brust reichte, lag Gaute da und schrie. Es war über ihre Kräfte gegangen. Heiligste Jungfrau Maria, du weißt es, ich konnte mich Björgulvs nicht besser annehmen. - Und er war so geartet gewesen, daß er am liebsten für sich allein war und sich selber half. Merkwürdig und schweigsam war er stets gewesen, hatte es nie gemocht, wenn sie zärtlich zu ihm war. Sie hatte geglaubt, er sei das kräftigste von ihren Kindern; ihr schien Björgulv immer einem kleinen starken dunklen Stierkalb zu gleichen.
Mit der Zeit war es ihr wohl klargeworden, daß seine Augen nicht ganz in Ordnung waren. Als er mit Naakkve auf Tautra weilte, hatten die Mönche versucht, ihm zu helfen, aber wohl ohne Erfolg.
Er blieb auch weiterhin verschlossen; wenn sie versuchte, Björgulv näher an sich zu ziehen, erreichte sie nichts damit. Dem Vater ging es ebenso, das sah sie - Björgulv war der einzige von ihren Söhnen, der es nicht hinnahm, wie eine Wiese den Sonnenschein hinnimmt, wenn Erlend sich mit ihm abgab. Nur zu Naakkve war Björgulv anders - wenn sie aber versuchte, mit Naakkve über den Bruder zu sprechen, so wich er aus. Sie wußte nicht, ob es Erlend hierin besser ging; wiewohl -Naakkve liebte seinen Vater ja sehr ...
Ach nein, Erlends Nachkommen ließen deutlich erkennen, wer ihr Vater war. - Sie hatte jenes Kind von Lensviken gesehen, als sie das letztemal in Nidaros war. Sie begegnete Herrn Baard auf dem Friedhof der Christkirche; er kam in Begleitung mehrerer Männer, Frauen und Dienstleute heraus, eine Magd trug das Wickelkind. Baard Aasulvssohn grüßte sie mit
einem Kopfneigen, still und höfisch, während er an ihr vorüberging. Seine Frau war nicht dabei.
Sie hatte das Gesicht des Kindes gesehen, nur einen Augenblick lang. Das aber hatte genügt. Es glich den kleinen Kindergesichtern, die an ihrer Brust gelegen hatten ...
Arne Gjavvaldssohn war mit ihr, und er hatte sich des Redens nicht enthalten können - er war eben nicht anders. Herrn Baards Erben zeigten sich nicht sehr erfreut, als das Kind im letzten Winter zur Welt kam. Aber Baard ließ es Aasulv taufen. Zwischen Erlend Nikulaussohn und Frau Sunniva hatte nie mehr bestanden als jene Freundschaft, von der alle Leute wußten -daran schien er nie gezweifelt zu haben. Unbedacht und leichtsinnig offenherzig, wie Erlend war, hatte er, wenn er mit ihr tändelte, wohl mehr geredet, als er durfte - und Frau Sunniva tat nicht mehr als ihre Schuldigkeit, wenn sie die Vertrauensmänner des Königs warnte, als in ihr ein Verdacht aufstieg. Wären sie jedoch zu gute Freunde gewesen, so hätte Sunniva wohl auch wissen müssen, daß ihr eigener Bruder mit in Erlends Sache verwickelt war. Als Haftor Graut sich im Gefängnis um Leben und Seelenheil brachte, verlor sie fast den Verstand -keiner konnte das im Ernst glauben, dessen sie sich in dieser Zeit selbst beschuldigte. Herr Baard hatte die Hand auf seinen Schwertknauf gelegt und sich unter den Leuten umgeblickt, als er über diese Sache sprach, sagte Arne.
Auch Erlend gegenüber hatte Arne davon gesprochen. Einmal, als sie, Kristin, sich oben in einem Dachraum aufhielt, hatten die Männer
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