Kristin Lavranstochter 2
Arne nicht, aber der Mönch ergriff das Schwert und sah es eine Weile an.
„Pactum serva", sagte er schließlich. „Das heißt in unserer Sprache: Halte deine Treue!“
Arne und Bruder Leif sprachen darüber, daß auch der größte Teil ihrer eigenen Güter hier im Norden, Erlends Morgengabe, verpfändet und vergeudet worden war. Ob es eine Möglichkeit gäbe, etwas davon zu retten. Aber Kristin wollte nicht - vor allem anderen sollte man die Ehre retten, sie wollte keine Streitigkeiten darüber hören, ob die Handlungen ihres Gemahls gesetzlich richtig gewesen waren.
Und so hatte Arnes Gerede, so wohlgemeint es war, sie beinahe zu Tode gequält. Als er und der Mönch ihr an diesem Abend gute Nacht gewünscht hatten und in das Haus gegangen waren, wo sie schliefen, warf Kristin sich vor Frau Gunna auf die Knie und barg den Kopf in ihrem Schoß.
Nach einer Weile hob die alte Frau ihr Gesicht. Kristin blickte zu der anderen auf - Frau Gunnas Antlitz war schwer, gelblich und massig, mit drei dicken Falten quer über der Stirne, wie aus Wachs geformt, mit blassen Sommersprossen, scharfen und gütigen blauen Augen und einem eingekniffenen, zahnlosen Mund, den lange graue Barthaare beschatteten. Dieses Gesicht hatte Kristin in gar mancher qualvollen Stunde über sich gesehen - jedesmal wenn Kristin ein Kind gebar, war Frau Gunna bei ihr gewesen, nur nicht bei Lavrans’ Geburt, als Kristin daheim am Sterbebett des Vaters weilte.
„Jaja, meine Tochter“, sagte Frau Gunna und legte ihre Hand auf Kristins Stirn. „Ich habe dir gar manches Mal beigestanden, wenn du in die Knie gezwungen wurdest, ja, aber in diesem Kampf, meine Kristin, mußt du dich nun vor der Mutter Gottes, Maria selber, niederwerfen und sie bitten, daß sie dir helfen möge..
Ach, Kristin dünkte es, sie habe auch dieses schon getan. Sie sprach ihre Gebete und an jedem Samstag ein Stück aus dem Psalm, sie hielt die Fastentage, die Erzbischof Eiliv ihr auferlegt hatte, als er ihr Vergebung der Sünden gewährte, sie gab Almosen und sorgte selbst für die Wanderer, die um Obdach baten, wie sie nun auch sein mochten. Jetzt aber fühlte sie es nicht mehr in sich aufleuchten, wenn sie das tat. Sie wußte, daß draußen das Licht war, aber sie hatte ein Gefühl, als verschlössen Nebelschwaden ihr Inneres. Das war wohl das, wovon Gunnulv gesprochen hatte: die geistige Trockenheit. Um dessentwillen dürfe keine Seele den Mut verlieren, sagte Sira Eiliv; man müsse getreu an Gebeten und guten Werken festhalten, wie der Bauer pflügt und düngt und sät - Gott sendet den Regen, wenn es an der Zeit ist. - Aber Sira Eiliv hatte eben nie einen Hof betrieben ...
Gunnulv hatte sie dieses Mal nicht zu Gesicht bekommen. Er zog nördlich in Helgeland umher, predigte und sammelte Gaben für sein Kloster. Ach ja, das war der eine der Ritterssöhne von Husaby, und der andere ...
Aber Margret Erlendstochter kam ein paarmal zu Kristin, während diese in der Stadt war. Zwei Mägde begleiteten die Kaufmannsfrau; sie war schön gekleidet und schimmerte von Schmuck - der Schwiegervater war Goldschmied, daran fehlte es also nicht im Hause. Sie machte einen frohen und vergnügten Eindruck - obgleich sie keine Kinder hatte. Sie hatte ihr Erbteil vom Vater zur rechten Zeit bekommen. Gott mochte wissen, ob sie ihre Gedanken jemals zu dem armen Krüppel, Haakon draußen auf Gimsar, lenkte - er vermochte sich mit Hilfe von zwei Krücken nur gerade auf dem Hofplatz herumzuschleppen, hatte Kristin gehört.
Aber selbst damals hatte Kristin keine bitteren Gedanken über Erlend gehegt, so schien es ihr. Sie glaubte, damals begriffen zu haben, daß Erlend das Schlimmste zu überstehen hatte, als er ein freier Mann wurde. Da verbarg er sich draußen beim Abt Olav. Sich um den Umzug bekümmern, sich jetzt in der Stadt sehen zu lassen - das ging wohl auch über Erlend Nikulaussohns Kraft.
Dann kam der Tag, an dem sie durch den Drontheims-Fjord hinaussegelten - auf dem Laurentiusschiff, demselben Fahrzeug, mit dem Erlend ihr Brautgut nach Norden gebracht hatte, als ihnen gewährt worden war, einander zu heiraten.
Es war ein stiller spätherbstlicher Tag - auf dem Fjord lag ein bleiches, bleiartiges Glitzern, die ganze Welt war kalt, unruhig, weiß gerippt - auf den gefrorenen Äckern war der erste Schnee in den Furchen zusammengeblasen worden, und auch auf den kaltblauen Bergen lag der Schnee in weißen Streifen. Auch die Wolken weit droben, wo der Himmel blau war, schienen vom Wind
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