Kristin Lavranstochter 2
hoch unter dem Gewölbe wie Mehl Verblasen worden zu sein. Das Schiff zog schwer und träge am Ufer dahin - um die Halbinsel der Stadt. Kristin stand da und betrachtete den weißen Schaum unter den Felsen - fragte sich, ob sie wohl seekrank werden würde, wenn sie weiter in den Fjord hinauskämen.
Erlend stand an der Reling weiter vorn am Vordersteven, bei ihm seine beiden ältesten Söhne. Der Wind spielte mit ihrem Haar und ihren Umhängen.
Jetzt konnte man in den Kors-Fjord hineinsehen, nach Gaularos und der Flußmündung bei Birgsi. Ein Sonnenstreifen beleuchtete den braunen und weißen Hang beim Strand dort drinnen.
Erlend sagte etwas zu den Knaben. Da wandte Björgulv sich jäh um, trat von der Reling weg und ging nach achtern. Er tastete mit dem Speer, den er stets bei sich trug und auf seinem Weg zwischen den leeren Ruderbänken als Stab benützte, vor sich her, ging an der Mutter vorbei - den krausen schwarzen Kopf tief auf die Brust gesenkt, die Augen blinzelten so stark, daß sie fast ganz geschlossen waren, sein Mund war hart zusammengepreßt. Er ging in den Aufbau ...
Die Mutter schaute zu den beiden vor, zu Erlend und seinem ältesten Sohn, da ließ Nikulaus sich auf ein Knie nieder, so, wie ein Page seinen König grüßt, ergriff die Hand des Vaters und küßte sie.
Erlend riß die Hand an sich, Kristin erhaschte einen Schimmer seines Gesichtes - leichenblaß, bebend, als er sich von dem Knaben abwandte, wegging und hinter dem Segel verschwand.
Die Nacht über blieben sie in einem Hafen unten bei Möre liegen. Jetzt ging die See viel höher - das Fahrzeug riß an seinen Vertäuungen, hob und senkte sich. Kristin war unten in dem Raum, wo sie mit Erlend und den zwei kleinen Kindern schlafen sollte. Sie fühlte sich sehr schlecht, konnte keinen Halt auf den Schiffsplanken finden, die sich unter ihren Füßen gleichsam hoben und senkten, die mit einer dünnen Haut überzogene Laterne pendelte über ihrem Kopf, das kleine Licht flackerte -und sie stand da und mühte sich mit Munan ab, wollte ihn dazu bringen, zwischen die Planken zu pissen. Wenn er schlaftrunken aufwachte, machte er dann und wann ihr Bett naß, tobte und schrie und wollte nicht, daß die fremde Frau, seine Mutter, ihn anfaßte, um ihm zu helfen und ihn hinauszuhalten. Da kam Erlend herunter.
Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, als er, sehr leise, fragte:
„Hast du Naakkve gesehen? - Er hatte ganz deine Augen, Kristin.“ Erlend holte Atem, kurz und hart. „So waren deine Augen, an jenem Morgen vor dem Zaun beim Garten der Nonnen - als du das Schlimmste über mich erfahren hattest - und du mir deine Treue schenktest...“
Damals war es gewesen, daß sie den ersten Tropfen herber Bitterkeit in ihr Herz sickern fühlte. Gott schütze den Knaben -möge er den Tag nicht erleben, an dem ihn dünkt, er habe seine Treue in eine Hand gelobt, die alles gleich kaltem Wasser und trockenem Sand durch die Finger rinnen läßt...
Einige Zeit vorher hatte sie geglaubt, irgendwo weiter südlich im Gebirge Hufschläge zu hören. Jetzt erklangen sie wieder in größerer Nähe. Es waren keine frei laufenden Pferde, es war ein Reiter, er ritt scharf über das Gestein dort unterhalb des Hangs.
Angst befiel sie, durcheisend: Wer ist so spät noch unterwegs? Tote Männer reiten nordwärts unter abnehmendem Mond - hörte sie nicht ein Gefolge, das weit hinter dem ersten Reiter nachkam? Trotzdem blieb sie sitzen; sie wußte selbst nicht, ob sie das tat, weil sie steif geworden war oder weil sie heute nacht eines so harten Sinnes war.
Hierher wollte er, der Reiter - jetzt ritt er durch die Furt unterhalb der Almwiese. Sie sah eine Speerspitze über dem Weidengebüsch aufblitzen. Da verließ sie rasch den Stein, wollte zur Hütte zurücklaufen - nun sprang der Reiter vom Pferd, band es am Zaunpfahl fest und warf ihm seinen Umhang als Decke über. Er kam die Wiese heraufgeschritten, es war ein großer und breiter Mann - jetzt erkannte sie ihn, es war Simon.
Als er sie so im Mondschein auf sich zukommen sah, schien er ebenso erschrocken zu sein wie sie vorher.
„Jesus! Kristin, bist du es selber oder... Wie geht es zu, daß du um diese Nachtzeit draußen bist? Hast du mich erwartet?“ fragte er jäh, wie in großer Angst. „Hast du eine Vorbotschaft über mein Kommen erhalten?“
Kristin schüttelte den Kopf.
„Ich konnte nicht schlafen. - Schwager, was ist mit dir?“ „Andres ist so krank, Kristin - wir fürchten für sein Leben. Da dachten
Weitere Kostenlose Bücher