Kristin Lavranstochter 2
Uneinigkeit - Mutter meinte, es sei am besten, er bekäme sein Essen wieder bei uns, wie er es vor seiner Heirat gehabt habe. Ulv wollte das nicht, er sagte, man würde darüber reden, wenn sie jetzt die Verabredung wieder änderten, die Vater und er miteinander trafen, als er seinen eigenen Hausstand gründete; wegen der Waren, die er vom Hof für seinen Hausstand bekommen sollte, dünkte es ihn unrecht, daß die Mutter ihn wieder verköstigen wollte. Aber es wurde so gehalten, wie Mutter wollte, Ulv saß mit uns am Tisch, und alles andere sollte später abgerechnet werden.“
„Hm, deine Mutter steht sonst in dem Ruf, sehr genau auf ihre Sachen aufzupassen und eine sehr tüchtige und sparsame Frau zu sein ..."
„Nicht mit dem Essen“, sagte Naakkve eifrig. „Das kann jeder Mensch bezeugen, jeder Knecht und jede Magd, die bei uns auf dem Hof gedient haben - mit Speise und Trank ist die Mutter die freigebigste Frau. Und in diesem Punkt ist sie jetzt nicht anders als früher, da wir reich waren; nie ist sie froher, als wenn sie einige Leckereien auf ihren Tisch auftragen kann -und sie rechnet alles so reichlich, daß jeder vom Gesinde bis hinunter zum Schweinehirt und zu den Hausarmen seinen Teil an den guten Sachen bekommt.“
„Hm“, der Bischof saß in Gedanken da. „Du sprachst davon, daß du deinen Vater holen wolltest?“
„Ja, Herr. Etwas anderes würde wohl unrichtig sein?“ Der Bischof antwortete nicht, da fuhr Naakkve fort: „Wir sprachen in diesem Winter mit unserem Vater - mein Bruder Gaute und ich -, wir sprachen auch darüber, daß die Mutter ein Kind erwarte. Aber wir bemerkten nichts und hörten auch kein Wort aus seinem Munde, das darauf hätte schließen lassen, er zweifle daran, daß die Mutter ihm so treu sei wie Gold, oder daß er sich wundere. Aber unser Vater hat sich in Sil nie wohl gefühlt, er wollte auf seinem eigenen Hof in Dovre wohnen, und die Mutter war im vergangenen Sommer eine Zeitlang bei ihm. Er war böse, weil sie nicht bei ihm bleiben und ihm das Haus führen wollte - er meinte, sie sollte Gaute und mich Jörundhof betreiben lassen und selbst nach Haugen ziehen.“
Bischof Halvard rieb und rieb sich sein Kinn und betrachtete Naakkve. Was für ein Mann Erlend Nikulaussohn auch sein mochte - er konnte schließlich nicht so erbärmlich sein, seine Frau vor ihren jungen Söhnen der Hurerei anzuklagen.
So vieles auch gegen Kristin Lavranstochter zu sprechen schien - er glaubte es dennoch nicht. Als sie leugnete, etwas davon gewußt zu haben, daß man sie wegen Ulv Haldorssohn im Verdacht hatte, war sie ihm ehrlich erschienen. Obgleich er sich erinnerte, daß dieses Weib schon früher einmal schwach gewesen war, als Fleischeslust lockte - mit häßlichen Schlichen hatten sie sich Lavrans’ Einverständnis erzwungen, sie und dieser Mann, mit dem sie nun in Uneinigkeit lebte ...
Als die Rede auf den Tod des Kindes gekommen war, hatte er sofort gesehen, daß ihr das Gewissen schlug. Aber selbst wenn sie ihr Kind vernachlässigt hatte, konnte man sie um dieser Sache willen nicht vor das Gericht der Menschen zerren. Das mußte sie nach dem Gebot ihres Beichtvater vor Gott büßen. Und es war doch möglich, daß das Kind von ihrem Manne stammte, selbst wenn sie es schlecht gepflegt hatte. Große Freude konnte sie unmöglich darüber empfunden haben, daß sie nun wieder mit einem Säugling dasitzen sollte, bejahrt, wie sie war, von ihrem Mann verlassen, mit sieben Söhnen schon, in viel schlechteren Verhältnissen, als ihnen von Geburt zustanden. Es wäre unvernünftig gewesen, zu erwarten, daß sie dieses Kind so sehr geliebt hätte.
Er glaubte nicht, daß sie eine ungetreue Frau war. Obgleich Gott allein wußte, was er alles in den vierundzwanzig Jahren, die er Priester und Beichtvater gewesen war, gehört und erfahren hatte. Aber er glaubte ihr. Erlend Nikulaussohns Betragen in dieser ganzen Sache aber vermochte er nur auf eine Art zu deuten. Er hatte sich nicht nach seiner Frau erkundigt, als sie das Kind erwartete, auch nicht, als es geboren wurde, und nicht, als es starb. Er mußte glauben, er sei nicht der Vater.
So blieb also nur die Frage übrig, wie der Mann handeln würde. Ob er dennoch hervortreten und seine Frau verteidigen würde, um ihrer sieben Söhne willen - so würde ein ehrenhafter Mann handeln. Oder ob er nun, da diese Gerüchte laut besprochen worden waren, sie anklagen würde. Nach allem, was der Bischof über Erlend von Husaby gehört hatte, glaubte
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