Kristin Lavranstochter 2
er sich nicht unbedingt darauf verlassen zu können, daß der Mann dies nicht tun würde.
„Wer sind die nächsten Verwandten und Schwäger deiner Mutter?“ fragte er wiederum.
„Jammaelt Halvardssohn auf Aelin ist mit ihrer Schwester verheiratet, der Witwe Simon Darres auf Formo. Dann hat sie einen Vetter, Ketil Aasmundssohn auf Skog, und eine Base, seine Schwester Ragna, die Sigurd Kyrning hat. Ivar Gjesling auf Ringheim und sein Bruder Haavard Trondssohn sind Söhne ihrer Muhme. Aber sie alle wohnen weit weg von hier.“
„Aber Herr Sigurd Eldjarn auf Sundbu - deine Mutter und er sind doch Geschwisterkinder. In einer solchen Sache muß doch der Ritter vortreten und seine Verwandte schützen, Nikulaus! Du mußt noch heute zu ihm reiten und ihn davon benachrichtigen, mein Freund.“
Zögernd antwortete Naakkve:
„Würdiger Herr - es hat wenig Freundschaft zwischen ihm und uns bestanden. Und ich glaube nicht, Herr, daß es der Angelegenheit unserer Mutter förderlich sein würde, wenn dieser Mann für sie einträte. Erlend Eldjarns Sippe ist hier in den Tälern nicht beliebt. Nichts schadete meinem Vater im Urteil der Leute mehr als der Umstand, daß die Gjeslinger sich ihm bei jenem Plan verbunden hatten, der uns um Husaby brachte, während sie Sundbu verloren.“
„Ja, Erlend Eldjarn“, der Bischof lachte ein wenig. „Ja, er hatte die Gabe, sich mit den Leuten schlecht zu vertragen - er lag mit allen seinen Verwandten hier im Norden im Streit. Dein Großvater, der ein frommer Mann war und sich nicht scheute, nachzugeben, wenn Frieden und Einigkeit zwischen den Verwandten dadurch erhalten werden konnten - auch er hatte hierin kein besseres Glück, er und Erlend Eldjarn wurden die erbittertsten Feinde.“
„Ja“, Naakkve mußte ein wenig lachen. „Und doch handelte es sich nicht um große Dinge - zwei Laken mit Spitzen und ein blaugesäumtes Handtuch; die ganze Geschichte war in Geld auf zwei Mark geschätzt worden. Aber die Großmutter hatte ihrem Mann ans Herz gelegt, daß er diese Sachen bei der Erbteilung unbedingt an sich nehmen müsse, und Gudrun Ivarstochter hatte ebenfalls zu ihrem Mann davon gesprochen. Schließlich nahm Erlend Eldjarn sie an sich und versteckte sie in seinem Reisesack, aber Lavrans holte sie wieder heraus - er glaubte, das meiste Recht zu haben, denn es war Ragnfrid gewesen, die diese Dinge verfertigt hatte, als junges Mädchen daheim auf Sundbu. Als aber Erlend dies gewahr wurde, schlug er den Großvater ins Gesicht, und da nahm ihn der Großvater und warf ihn dreimal zu Boden und schüttelte ihn, wie man ein Fell ausschüttelt. Seit der Zeit sprachen sie nie mehr ein Wort miteinander - und das alles nur um dieser Fetzen willen, unsere Mutter hat sie daheim in ihrer Truhe aufbewahrt.“
Der Bischof lachte herzlich. Er kannte diese Sache recht gut, es hatte den Leuten seinerzeit viel Vergnügen bereitet, daß die Männer der Ivarstöchter sich so eifrig bestrebten, es ihren Frauen recht zu machen. Immerhin hatte der Bischof erreicht, was er wollte - die Gesichtszüge des jungen Mannes waren zu einem Lächeln aufgetaut, der wachsame, ängstliche Ausdruck war für eine Weile aus den schönen blaugrauen Augen gewichen. Da lachte Herr Halvard noch lauter.
„Doch, Nikulaus, sie sprachen noch einmal miteinander, und da stand ich dabei. Das war in Oslo, beim Weihnachtsgelage, in dem Jahre, ehe die Königin, Frau Eufemia, starb. Mein seliger Herr, König Haakon, sprach mit Lavrans - er war nach Süden gekommen, um seinen Herrn zu begrüßen und ihm seine getreue Gesinnung zu zeigen -, der König sprach darüber, daß diese Feindschaft zwischen den Männern zweier Schwestern unchristlich und die Art kleiner Leute sei. Lavrans ging dorthin, wo Erlend mit einigen anderen Männern aus dem Königsgefolge stand, bat ihn freundlich, zu verzeihen, daß er sich habe hinreißen lassen, und erklärte sich bereit, die Sachen mit liebevollen Grüßen von Bruder und Schwester an Frau Gudrun zu senden. Erlend antwortete, er wolle sich aussöhnen, wenn Lavrans vor den Männern, die rings um sie standen, von sich selber erklären wolle, daß er bei dieser Erbteilung nach dem Tode ihres Schwiegervaters wie ein Dieb und Räuber vorgegangen sei. Da drehte Lavrans sich auf dem Absatz um und ging weg - und das, glaube ich, war das letztemal, daß die Schwäger Ivar Gjeslings einander auf Erden begegneten“, schloß der Bischof und lachte laut.
„Aber höre jetzt auf mich, Nikulaus Erlendssohn“,
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