Kristin Lavranstochter 2
gute Leute?“ fragte eine starke Stimme über ihnen. Niemand hatte bemerkt, daß Herr Halvard selbst auf den Altan hinausgetreten war. Jetzt stand er da in seinem veilchenblauen Gewand, mit der roten seidenen Mütze auf dem weißen Haar, groß und mächtig wie ein Fürst. „Wer sind diese jungen Männer?“
Man antwortete ihm, es seien Kristins Söhne auf Jörundhof.
„Bist du der Älteste?“ wandte der Bischof sich an Naakkve.
„Dann will ich mit dir sprechen. Die anderen sollen einstweilen hier im Hof warten.“
Naakkve ging die Stufen zum Oberstockwerk hinauf und folgte dem Bischof in die Stube. Herr Halvard nahm im Hochsitz Platz und betrachtete den jungen Mann, der mit seiner großen Lanze vor ihm stand.
„Wie heißt du?“
„Nikulaus Erlendssohn, Herr.“
„Hältst du es für notwendig, so gut bewaffnet zu sein, Nikulaus Erlendssohn“, meinte er mit einem kleinen Lächeln, „um eine Unterredung mit deinem Bischof zu führen?“
Nikulaus errötete tief. Er ging in den Winkel der Stube, legte Waffe und Umhang ab und kehrte zurück. Gesenkten Kopfes und mit bloßem Haar stand er vor dem Bischof und hielt mit der einen Hand das andere Handgelenk umfaßt, in leichter und freier, geziemender und ehrerbietiger Haltung.
Herr Halvard dachte, dieser junge Mann habe Courtoisie und höfische Sitten gelernt. Er konnte auch kein kleines Kind mehr gewesen sein, als der Vater Reichtum und Ehre verlor - er erinnerte sich wohl noch der Zeit, da er der Erbe auf Husaby war. Ein schöner Bursche war er auch - es tat dem Bischof sehr leid um ihn.
„Waren das deine Brüder, alle, die mit dir kamen? Wie viele Erlendssöhne seid ihr?“
„Wir sind sieben, Herr, die leben.“
So viele junge Menschenleben waren in diese Sache mit hineingezogen! Der Bischof stieß unwillkürlich einen Seufzer aus.
„Setz dich, Nikulaus - du willst mit mir wohl wegen dieser Gerüchte sprechen, die über deine Mutter und ihren Verwalter aufgekommen sind?“
„Dank, würdiger Herr, ich will lieber vor Euch stehen.“ Nachdenklich betrachtete der Bischof den jungen Mann. Dann sagte er langsam:
„Es verhält sich so, Nikulaus: Mir fällt es schwor, zu glauben, daß es wahr sei, was man sich von Kristin Lavranstochter erzählt. Und ein Recht, sie der Hurerei anzuklagen, hat niemand außer ihrem Gemahl. Hier aber kommt noch die Verwandtschaft zwischen deinem Vater und diesem Ulv hinzu und der Umstand, daß Ulv dein Pate ist. Und Jardtrud hat ihre Klage in einer Weise vorgebracht, daß vieles zur Unehre deiner Mutter ausgelegt werden muß. - Weißt du, ob es sich so verhält, wie
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sie sagt, daß er sie oft geschlagen und daß er ihr Bett seit bald einem Jahr gemieden habe?“
„Ulv und Jardtrud lebten nicht gut zusammen - unser Pflegevater war nicht jung, als er sich verheiratete, und ein wenig harten Sinnes und heftig mag er wohl sein. Gegen uns Brüder und gegen Vater und Mutter ist er allezeit der getreueste Freund und Verwandte gewesen. Dies ist die erste Bitte, die ich Euch, lieber Herr, vorzutragen gedacht habe: daß Ihr, wenn überhaupt eine Möglichkeit dafür besteht, Ulv gegen Bürgschaft auf freien Fuß setzen möchtet.“
„Du bist noch nicht mündig?“ fragte der Bischof.
„Nein, Herr, aber meine Mutter ist willig, jede Bürgschaft zu leisten, die Ihr fordern mögt.“
Der Bischof schüttelte den Kopf.
„Aber mein Vater ist derselben Meinung, das weiß ich gewiß. Ich gedenke nun, gleich von hier weg zu ihm hinaufzureiten und ihm zu melden, was sich hier zugetragen hat. Wenn Ihr ihm dann morgen eine Unterredung gewähren wolltet..."
Der Bischof legte seine Hand an das Kinn; er saß da und rieb sich mit seinem Daumen über die Bartwurzeln, so daß es leise raschelte.
„Setze dich, Nikulaus“, sagte er. „Dann reden wir besser.“ Naakkve verneigte sich dankend und nahm Platz. „Aber es ist doch wahr, daß Ulv sich geweigert hat, mit seinem Weibe zusammen zu leben?“ fragte er, als erinnere er sich auf einmal wieder dieser Sache.
„Ja, Herr. Soviel ich weiß...“ Der Bischof mußte lächeln, und dann lächelte auch der junge Mann ein wenig. „Ulv hat seit vergangenem Weihnachten mit uns Brüdern oben im Dachraum geschlafen.“
Der Bischof dachte wieder eine Weile nach.
„Und das Essen - wo bekam er sein Essen?“
„Er ließ sich von seiner Frau Mundvorrat mitgeben, wenn er in den Wald hinaus oder sonst vom Hof weg mußte.“ Naakkves Miene wurde etwas unsicher. „Hierüber herrschte ein wenig
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