Kristin Lavranstochter 2
sein. Und jede Frau aus dieser Sippe bekam mindestens ein schwachsinniges Kind. Die Unterirdischen tauschten die Kinder dieser Leute aus oder verhexten sie. Soviel man sich auch bemühte, die Wöchnerinnen zu beschützen, schienen doch weder Taufe noch Weihe irgend etwas zu fruchten. Nun lebten zwei alte Männer auf Skjenne, die Sira Eirik für Wechselbälge erklärt hatte, zwei taubstumme Kinder - und Tordis’ ältesten Bruder hatte die Huldre verhext, als er siebzehn Jahre alt war. Im übrigen waren in der Skjenne-Sippe schöne Menschen, Glück beim Vieh und Wohlgedeihen begleiteten sie, aber es waren ihrer zu viele, als daß die Sippe hätte zu Reichtum kommen können.
Gott mochte wissen, ob Naakkve sein Vorhaben aufgeben konnte, ohne zu sündigen, wenn er sich bereits durch ein Gelübde dem Dienst der Jungfrau Maria verbunden hatte. Aber schließlich mußte doch jeder Mann stets ein Probejahr als Jungbruder im Kloster zubringen, ehe er die Weihe erhielt - konnte in dieser Zeit noch immer zurücktreten, wenn er fühlte, daß er nicht dazu berufen war, Gott auf diese Weise zu dienen. Und Kristin hatte gehört, daß jene welsche Gräfin, die Mutter des Prädikantenbruders und großen Doktors der Theologie, Herrn Tomas Akvinas, ihren Sohn mit einem schönen und sittenlosen Weibe einschloß, um ihn davon abzubringen, die Welt verlassen zu wollen. Kristin fand, dies sei das Häßlichste, was sie je vernommen habe - aber jene Frau starb dennoch ausgesöhnt mit Gott. Da konnte es wohl keine so entsetzliche Sünde sein, wenn sie dachte, daß sie Tordis von Skjenne jetzt mit offenen Armen als Schwiegertochter aufnehmen würde.
Im Herbst kam Jammaelt Halvardssohn nach Formo, und er bestätigte die Gerüchte von den großen Begebenheiten, die auch bis ln dieses Tal hier gelangt waren. In gemeinsamer Beratung mit den obersten Vätern der Kirche, den Rittern und Herren aus dem Rat des Reiches Norwegen hatte Herr Magnus Eirikssohn beschlossen, seine Reiche unter die beiden Söhne zu teilen, die er von seiner Königin, Frau Blanche, bekommen hatte. Auf der Versammlung der Vornehmen in Vardberg hatte er dem Jüngsten, Junker Haakon, den Königsnamen von Norwegen verliehen. Gelehrte und ungelehrte Herren des Reiches hatten bei den Heiligtümern geschworen, das Land unter seiner Hand zu verteidigen. Es hieß, er sei ein schönes und vielversprechendes dreijähriges Kind und er solle hier im Lande erzogen werden. Vier der vornehmsten Rittersfrauen sollten seine Pflegemütter und zwei geistliche und zwei weltliche vornehme Herren sollten die Pflegeväter sein in der Zeit, da König Magnus und Königin Blanche in Schweden wären. Man sagte, Herr Erling Vidkunssohn und der Bischof von Björgvin und Oslo hätten sich diese Königswahl ausgedacht, und Bjarne Erlingssohn habe die Sache „beim König am besten gefördert; der König liebte Bjarne vor allen seinen norwegischen Rittern. Und jedermann versprach sich den größten Vorteil für das Reich
Norwegen, wenn das Volk jetzt wieder einen König haben sollte, der im Reich lebte und wohnte und der Gesetz und Recht und die Wohlfahrt des Landes schützen würde, statt seine Zeit und Kraft und den Wohlstand des Landes mit Unternehmungen in anderen Ländern zu vergeuden.
Kristin hatte die Nachricht von der Königswahl vernommen, ebenso wie sie von den Feindseligkeiten mit den deutschen Kaufleuten in Björgvin und von den Kriegen des Königs in Schweden und Dänemark gehört hatte. Dies alles aber hatte sie nicht mehr berührt als der Widerhall des Donners zwischen den Bergen, wenn das Gewitter in weiter Ferne über das Tal hinzieht. Aber ihre Söhne hatten untereinander wohl über diese Dinge gesprochen. Bei Jammaelts Erzählung nun gerieten Erlends Söhne in die heftigste Erregung. Björgulv hielt den Kopf in die Hände gestützt, so daß er die blinden Augen verdeckte, Gaute lauschte mit halbgeöffneten Lippen, während er den Griff seines Dolches umklammerte, Lavrans atmete laut und hörbar und blickte immer wieder vom Oheim weg zu Naakkve hin, der im Hochsitz saß. Der Älteste war bleich im Gesicht, und seine Augen glühten.
„Gar manchem Mann war es so bestimmt“, sagte Naakkve, „daß jene, die ihn im Leben am meisten bekämpften, gerade auf dem Weg, den er ihnen gezeigt hatte, vorwärtskamen, nachdem sie ihn zu einem Fraß der Würmer gemacht hatten. Ist ihm erst der Mund mit Erde gestopft, so scheuen sich die, die geringere Männer waren als er, nicht mehr, seinen Worten
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