Kristin Lavranstochter 2
Jonsmesse kam Ivar Erlendssohn nach Jörundhof heim. Die Zwillinge hatten, als sie von daheim wegzogen, im sechzehnten Jahr gestanden. Jetzt war Ivar ein erwachsener Mann, nahezu achtzehn Jahre alt, und die Mutter fand ihn so schön und männlich geworden, daß sie sich nicht satt an ihm sehen konnte.
Am ersten Morgen brachte die Mutter Ivar, noch während er im Bett lag, einen kleinen Morgenimbiß. Honigbrot, Fladen und Bier, das sie von der letzten Tonne des Weihnachtsbieres abgezapft hatte. Sie saß auf dem Bettrand, während er aß und trank, lächelte zu allem, was er sagte, stand auf und betrachtete seine Kleider, drehte und wendete jedes Stück, wühlte in seinem Reisesack, wog seine neue Schließe in ihrer schmalen braunen Hand, zog seinen Dolch aus der Scheide und lobte ihn und alles, was Ivar besaß. Dann setzte sie sich wieder aufs Bett, sah den Sohn an und hörte mit einem Lächeln um Mund und Augen allem zu, was der junge Mann ihr erzählte.
Da sagte Ivar:
„Es ist am besten, meine Mutter, wenn ich Euch gleich sage, weshalb ich hier daheim bin - ich bin gekommen, um Naakkves Einwilligung zu meiner Heirat zu holen.“
Überwältigt schlug Kristin die Hände zusammen.
„Mein Ivar! Du bist doch noch so jung - du hast wohl nicht irgendwelche Dummheiten gemacht!“
Ivar bat die Mutter, ihn anzuhören. Es handelte sich um eine jüngere Witwe, Signe Gamalstochter, die auf Rognheim in Fauskar lebte. Der größte Teil des mittelgroßen Hofes gehörte ihr selbst; sie hatte ihr einziges Kind beerbt. Aber sie geriet in einen Rechtsstreit mit den Verwandten ihres Mannes, und Inge Fluga hatte versucht, daraus verschiedene unrechtmäßige Vorteile zu ziehen, als Entgelt dafür, daß er der Witwe zu ihrem Recht verhelfen wollte. Ivar war ärgerlich geworden, hatte sich der Frau angenommen und sie bis zum Bischof begleitet, denn Herr Halvard hatte Ivar stets väterliches Wohlwollen erwiesen, sooft er mit ihm zusammengetroffen war. Inge Munanssohns Vorgehen im Gau vertrug keine sehr genauen Nachforschungen, aber er hatte es verstanden, sich mit den vornehmen Sippen in den Tälern gut anzufreunden, die Gemeinden in ein Mausloch zurückzuschrecken - und dem Bischof hatte er mit großem Geschick Sand in die Augen gestreut. Es geschah wohl auch um Munans willen, daß Herr Halvard keine Lust zeigte, allzu streng zu sein. Jetzt aber schien die Sache nicht so gut für ihn zu stehen - so daß Inge und Ivar in offener Feindschaft voneinander schieden, als Ivar sein Pferd nahm und Inge Flugas Hof verließ. Dann aber war es ihm eingefallen, daß er doch noch einmal auf Rognheim vorsprechen sollte, ehe er dieser Gegend den Rücken kehrte. Dies war um die Osterzeit gewesen, und seither hatte er bei Signe gelebt - hatte ihr in diesem Frühjahr auf dem Hof geholfen, und jetzt waren sie dahin übereingekommen, daß er sie heiraten sollte. Sie meinte nicht, daß Ivar Erlendssohn zu jung sei, um ihr Gemahl zu werden und sie und das Ihre zu betreuen. Und der Bischof wollte ihm wohl, wie schon gesagt - obgleich er ja viel zu jung und ungelehrt war, als daß Herr Halvard ihm ein Amt hätte übertragen können, aber Ivar glaubte gut zurechtzukommen, wenn er verheiratet auf Rognheim säße.
Kristin saß da und spielte mit dem Schlüsselbund im Schoß. Dies war ja eine verständige Rede. Und Inge Fluga war es wohl auch nicht besser wert. Aber sie fragte sich, was der arme alte Mann, Munan Baardssohn, dazu sagen würde.
Über die Braut erfuhr sie, daß Signe dreißig Winter alt war, von geringem und armem Geschlecht, da aber ihr erster Mann zu Wohlstand gekommen war, lebte sie jetzt in guten Verhältnissen, und sie selbst war eine ehrbare, freundliche und tüchtige Frau.
Nikulaus und Gaute begleiteten Ivar nach Süden, um sich die Witwe anzusehen, Kristin aber wollte bei Björgulv Zurückbleiben. Als die Söhne heimkehrten, konnte Naakkve seiner Mutter melden, daß Ivar sich mit Signe Gamalstochter verlobt habe. Die Hochzeit sollte im Herbst auf Rognheim stattfinden.
Nicht lange nachdem die Brüder heimgekommen waren, begab Naakkve sich eines Abends zu seiner Mutter, als sie in der Webstube saß und nähte. Er schob den Riegel vor die Türe. Dann sagte er, nun, da Gaute zwanzig Winter alt sei und Ivar durch seine Heirat mündig würde, wollten er und Björgulv schon in diesem Herbst nach Norden reisen und im Kloster um ihre Aufnahme als Novizen bitten. Kristin antwortete nicht viel, und so sprachen sie nur darüber, wie alles zu
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