Kristin Lavranstochter 2
Arbeit in den Schoß sinken, und über ihr Gesicht flogen schmerzliche Zuckungen.
„Hast du Schmerzen, Jofridi?“ fragte Kristin leise.
„Ach ja, ein wenig - in den Füßen und Beinen“, antwortete das Mädchen. Sie hatte den ganzen Tag wie gewöhnlich tüchtig gearbeitet und sich nicht schonen wollen. Jetzt hatte sie Schmerzen bekommen, und die Beine waren angeschwollen.
Plötzlich sprangen kleine Tränen unter ihren Wimpern hervor. Kristin hatte nie eine Frau so seltsam weinen sehen. Ohne Laut, mit zusammengebissenen Zähnen saß Jofrid da, und runde, klare Tränen - Kristin fand, sie sähen so hart aus wie Perlen - rollten über das abgezehrte, braungefleckte Gesicht hinab. Sie schien böse darüber zu sein, daß sie sich hatte nachgeben müssen - widerstrebend ließ sie sich von Kristin zum Bett führen.
Gaute kam nach.
„Hast du Schmerzen, meine Jofrid?“ fragte er unbeholfen. Sein Gesicht war feuerrot von der Kälte, und er sah der Mutter tiefunglücklich zu, wie sie Jofrid behutsam zurechtlegte, ihr Schuhe und Strümpfe auszog und die geschwollenen Füße und Beine behandelte. „Hast du Schmerzen, meine Jofrid?“ fragte er noch einmal.
„Ja“, sagte Jofrid leise und verbissen wütend. „Denkst du, ich würde mir sonst so nachgeben?“
„Hast du Schmerzen, meine Jofrid?“ fing er wieder an.
„Du siehst doch, daß sie Schmerzen hat - steh nicht so da und mach kein so dummes Gesicht.“ Kristin wandte sich dem Sohn zu, sie funkelte. Der dumpf geballte Knoten von Angst vor dem Ausgang der ganzen Sache, von Unmut darüber, daß sie das unordentliche Leben der jungen Leute hier auf ihrem Hofe dulden mußte, von nagendem Zweifel an der Männlichkeit des Sohnes - das alles entlud sich in wütendem Groll. „Bist du denn so dumm, daß du glaubst, es ginge ihr gut - sie sieht doch, daß du nicht einmal dazu taugst, dir ein Herz zu fassen und über die Berge zu reisen, wenn es auch stürmt und schneit. Du weißt, daß sie bald in die Knie gezwungen wird, diese kranke Frau hier, und daß sie sich in den größten Qualen winden wird - und daß ihr Kind ein Strauchbalg heißen wird, weil du nicht wagst, ihrem Vater zu begegnen, sondern dasitzest und die Bank in der Stube wärmst und nicht einen Finger zu rühren wagst, um dein Weib zu schützen und das Kind, das du bekommen sollst. Dein Vater hatte keine solche Angst vor meinem Vater, daß er nicht mit ihm zu sprechen gewagt hätte, und er fürchtete die Kälte nicht so sehr, daß er nicht auf Schneeschuhen im Winter über das Gebirge gegangen wäre. Pfui über dich, Gaute - und wehe mir, daß ich den Tag erleben soll, an dem ich einen der Söhne, die Erlend mit mir gezeugt hat, einen furchtsamen Mann nennen muß!“
Gaute hob den Kubbestuhl mit beiden Händen, schleuderte ihn auf den Boden, rannte zum Tisch und fegte alles hinunter, was darauf stand, dann lief er zur Tür, versetzte dem Kubbestuhl noch einen Fußtritt - sie hörten ihn fluchend die Treppe zum Oberstock hinauflaufen.
„Nein, Mutter - jetzt wart Ihr allzu hart gegen Gaute.“ Jofrid richtete sich auf den Ellbogen auf. „Ihr könnt doch vernünftigerweise nicht erwarten, daß er mitten im Winter sein Leben im Gebirge aufs Spiel setzt - um meinen Vater aufzusuchen und zu erfahren, daß er entweder die verführte Braut in dem Hemd heiraten soll, in dem er sie von daheim entführte, oder außer Landes gehen muß.“
Die Zorneswogen gingen noch hoch in Kristins Gemüt. Sie antwortete stolz:
„Ich glaube trotzdem nicht, daß mein Sohn so denken kann!“ „Nein“, sagte Jofrid, „würde nicht ich für ihn denken, dann...“ Als sie Kristins Gesichtsausdruck sah, klang das Lachen in ihrer Stimme auf. „Liebe Mutter, ich hatte Mühe genug, Gaute zu beruhigen, jetzt will ich nicht, daß er noch mehr Dummheiten macht und unsere Kinder um den Wohlstand bringt, den ich von meinen Verwandten erwarten kann, wenn Gaute sich so mit ihnen versöhnt, wie es am besten und ehrenvollsten für uns alle wäre.“
„Was meinst du damit?“ fragte Kristin.
„Ich meine, wenn meine Verwandten Gaute aufsuchen, wird Herr Sigurd ihnen so entgegentreten, daß sie merken, Gaute steht nicht allein in der Welt. Er wird es ertragen müssen, volle Buße zu leisten, nachher aber wird mein Vater mich so mit Gaute verloben, daß ich wiederum berechtigt bin, nach seinem Tode die Erbschaft mit meinen Schwestern zu teilen.“
„Du bist also selbst nicht ohne Schuld daran“, fragte Kristin, „daß du nicht
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