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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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denken, wir wissen, daß er dies nicht war. Stolz würden wir alle sein an dem Tag, an dem wir dem Vater gleich wären - ihm bis an die Schultern reichen würden, wir wissen, er war ein vornehmer und tapferer Mann, der in jenen Tugenden, die einen Mann am meisten schmücken, alle weit überragte - aber Ihr könnt uns nicht davon überzeugen, daß er in einer Frauenstube der geziemendste und sittsamste Geselle noch daß er etwa gar der tüchtigste Bauer war... Trotzdem braucht dir niemand etwas Besseres zu wünschen, mein Erlend, als daß du ihm nachgeraten mögest!“ Er hob das Kind, das jetzt fertig eingebunden war, empor, drückte sein Kinn an das kleine rote Gesicht in der hellen Wolldecke. „Du begabter und vielversprechender Knabe, Erlend Gautessohn auf Jörundhof - du sollst deiner Vatermutter erzählen, daß du keine Angst hast, dein Vater könnte dich im Stich lassen“, er machte das Zeichen des Kreuzes über dem Kinde und legte es in Kristins Schoß zurück, trat dann ans Bett und betrachtete die schlafende junge Mutter. „Ihr sagt, Jofrid gehe es so gut, wie es ihr nur gehen kann? Sie sieht bleich aus - aber Ihr versteht Euch auf solche Dinge wohl am besten; schlaft wohl, Gottes Frieden sei mit euch in dieser Stube hier!“
    Einen Monat nach der Geburt des Knaben feierte Gaute ein großes Kindelbier, zu dem alle seine Verwandten von weit her zusammenkamen. Kristin vermutete, daß Gaute sie zu einer Beratung wegen seiner Stellung hierherberufen habe - es war jetzt Frühling, und er mußte darauf gefaßt sein, bald von Jofrids Verwandten zu hören.
    Kristin erlebte die Freude, daß Ivar und Skule miteinander nach Hause kamen. Und auch ihre Geschwisterkinder kamen: Sigurd Kyrning, der mit ihrer Base von Skog verheiratet war, Ivar Gjesling von Ringheim und Haavard Trondssohn. Die Trondssöhne hatte sie nicht mehr gesehen, seit Erlend die Männer von Sundbu mit ins Unglück gerissen hatte. Jetzt waren sie ältere Männer. Sie waren stets sorglos und leichtsinnig gewesen, aber kühn und wohlgemut, und sie waren nicht sehr verändert; sie traten sowohl den Erlendssöhnen als auch ihrem Vetter und Nachfolger auf Sundbu, Ritter Sigurd, in freier und offener verwandtschaftlicher Haltung entgegen. Jetzt flossen zu Ehren des kleinen Erlend Bier und Met in Strömen; Gaute und Jofrid empfingen ihre Gäste so unbefangen, als seien sie verheiratet und als habe der König selbst ihre Hochzeit ausgerichtet - alle waren froh, und keiner schien daran zu denken, daß Ehre und Wohlergehen dieser beiden jungen Menschen noch immer auf dem Spiele standen. Aber Kristin erfuhr, daß Jofrid es nicht vergessen hatte.
    „Je ausgelassener und übermütiger sie meinem Vater begegnen, desto leichter wird er nachgeben“, sagte sie. „Und Olav Piper konnte es noch nie verbergen, daß er gerne mit Männern aus den alten Geschlechtern auf einer Bank sitzt.“
    Der einzige, der sich in dieser Verwandtenversammlung nicht so recht wohl zu fühlen schien, war Herr Jammaelt Halvardssohn. König Magnus hatte ihm zu Weihnachten den Ritternamen verliehen. Ramborg Lavranstochter hieß jetzt Frau.
    Diesmal hatte Herr Jammaelt seinen ältesten Stiefsohn, Andres Simonssohn, mit sich. Kristin hatte, als Jammaelt das letztemal hiergewesen war, gebeten, er möge den Knaben mitbringen, denn es war ihr das Gerücht zu Ohren gekommen, daß der Junge ein wenig merkwürdig sei. Da bekam sie entsetzliche Angst - er hätte vielleicht an Leib oder Seele einen Schaden erlitten durch jene Sache, die sie mit ihm vorgenommen hatte, als er klein war. Aber der Stiefvater sagte, nein, der Knabe sei gesund und stark, gut wie Gold - und vielleicht sei er klüger als die meisten Leute; tatsächlich aber sei er seherisch begabt: bisweilen sei er wie geistesabwesend, und hinterher mache er oft seltsame Dinge - wie im vergangenen Jahr. Da hatte er eines Tages seinen silbernen Löffel genommen - es war sogar jener, den Kristin ihm zu seiner Geburt geschenkt hatte - und eine Hemdspange, die er von seinem Vater her besaß, und dann ging er weg vom Hof und zu der Brücke hinunter, die in der Nähe von Aelin bei dem großen Weg über den Fluß führte. Dort saß er viele Stunden und wartete - da kamen drei Arme über die Brücke, ein alter Bettler und ein junges Weib mit einem Säugling. Andres geht auf sie zu, gibt ihnen seine Sachen und bittet darum, der Frau das Kind tragen zu dürfen. Daheim gerieten sie außer sich vor Angst, als Andres nicht zu den Mahlzeiten heimkam und

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