Kristin Lavranstochter 2
beabsichtigt gewesen, Kristin, wenn sie in die Altstube hinüberzog, Frida Styrkaarstochter zur Bedienung zu überlassen. Inzwischen aber wurde diese mit einem der Knechte, die mit Helge Duk gekommen waren, verheiratet - einem jungen Burschen, der ihr Sohn hätte sein können.
„In unserer Gegend sind wir gewohnt, daß die Untergebenen auf ihre Herrschaft hören, wenn diese ihnen zu ihrem Besten rät“, sagte Jofrid, als Kristin sich über das Zustandekommen dieser Hochzeit wunderte.
„Und hier im Tal“, erwiderte Kristin, „sind die kleinen Leute nicht gewohnt, uns auch dann zu gehorchen, wenn wir Unvernünftiges verlangen, oder auf unseren Rat zu hören, wenn dieser ihnen nicht ebenso zum Besten gereicht wie uns selber. Ich gebe dir den guten Rat, Jofrid, dies nicht zu vergessen.“
„Es ist wirklich so, wie Mutter sagt, Jofrid“, fügte Gaute hinzu, aber sehr zahm. - Kristin hatte schon in der Zeit, ehe Gaute heiratete, bemerkt, daß er Jofrid nur ungern widersprach, nun war er der nachgiebigste Gatte geworden.
Die Schwiegermutter leugnete nicht, daß Gaute in vielen Dingen sich gut dabei stellte, wenn er sich seiner Frau fügte -sie war so verständig, tüchtig und fleißig wie nur wenige Frauen. Und sie war nicht leichtsinniger als sie, Kristin, selbst gewesen war - auch sie hatte ihre Tochterpflicht mit Füßen getreten und ihre Ehre verkauft, als sie den Mann nicht bekommen konnte, den sie gerne zu besseren Bedingungen sich gewonnen hätte. Erst nachdem sie ihren Willen durchgesetzt hatte, war sie die ehrbarste und treueste Frau geworden. Kristin merkte, daß Jofrid ihren Mann über alles liebte - stolz war sie auf seine Schönheit und auf seine hervorragende Abstammung; ihre Schwestern waren reich verheiratet, aber deren Männer durfte man nur bei Nacht ansehen, wenn der Mond nicht leuchtete, und über deren Vorfahren brauchte man überhaupt nicht zu reden, sagte Jofrid höhnisch. Sie war sehr auf sein Wohlergehen und auf seine Ehre bedacht, so wie sie es eben verstand, und daheim verwöhnte sie ihn, so gut sie konnte. Wenn aber Gaute in der geringfügigsten Sache eine andere Meinung haben wollte als seine Frau, so stimmte Jofrid zuerst mit einer solchen Miene zu, daß Gaute sofort wankend wurde - und dann fing sie an und redete so lange, bis sie ihn auf ihre Seite gebracht hatte.
Gaute aber fühlte sich wohl. Niemand konnte daran zweifeln, daß die beiden jungen Leute gut miteinander lebten. Gaute war zufrieden mit seiner Frau, und alle beide waren sehr stolz auf ihren Sohn und liebten ihn über alle Maßen.
Es hätte also alles gut und schön sein können. Wäre Jofrid Helgestochter nicht so - ja, sie war geizig; Kristin konnte es nicht anders bezeichnen. Wäre das nicht gewesen, hätte Kristin sich nicht so darüber gegrämt, daß die Schwiegertochter herrschsüchtig war.
Schon bei der Getreideernte im ersten Herbst, gleich nachdem sie auf den Hof eingeheiratet hatte, bemerkte Kristin, daß die Leute unzufrieden waren - obgleich sie fast nichts sagten. Aber die frühere Hausfrau merkte es doch.
Es war auch zu Kristins Zeiten vorgekommen, daß die Leute Heringe hatten essen müssen, die sauer geworden waren, oder Speck, so gelb wie Kienspäne, oder verdorbenes Fleisch. Da hatten aber alle gewußt, daß die Hausmutter ihnen dann ein anderes Mal mit etwas besonders Gutem aufwarten würde, mit Milchbrei oder frischem Käse oder mit Bier außerhalb der Zeit. Und wenn es etwas zu essen gab, was ein wenig verdorben schmeckte und ausgegessen werden mußte, so wußten alle, daß daran gleichsam nur Kristins überquellend volle Vorratshäuser schuld waren. - Und wenn die Leute in Not gerieten, so wußten sie, daß der Überfluß auf Jörundhof dem ganzen Tal zugute kam. Schon jetzt fühlten die Leute sich nicht mehr sicher, daß
Jofrid sich freigebig erweisen würde, wenn einmal in der Gemeinde Mangel herrschte.
Das war es, was der Schwiegermutter Kummer bereitete -denn das schien ihr die Ehre des Hofes und des Bauern zu verringern.
Daß sie selbst es schon in diesem einen Jahr hatte fühlen müssen, wie die Schwiegertochter nur ihren eigenen Leuten das Beste gönnte, das mochte noch hingehen. Schon zur Bartholomäusmesse bekam sie nur zwei geschlachtete Böcke statt der vier, die ihr zustanden. Der Vielfraß hatte im vergangenen Sommer böse unter dem Kleinvieh im Gebirge gewütet, das war richtig - trotzdem fand Kristin es schmählich, daß es auf einem so großen Hof auf zwei Böcke ankommen
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