Kristin Lavranstochter 2
Häuser...“
Da wallte in der früheren Hausfrau der Zorn auf - noch nie war es bisher vorgekommen, daß man Wanderern ein Obdach auf Jörundhof verwehrt hatte, und die Sonne stand schon am Rande des Gebirges. Sie lief hinunter und trat zu Jofrid und den Bettlern.
„Herberge können sie in meiner Stube haben, und da ist es am besten, wenn ich ihnen auch das Essen gebe. Hier auf diesem Hofe haben wir bis jetzt noch keinem Christen das Obdach verweigert, wenn er im Namen Gottes darum gebeten hatte.“
„Tut so, wie Euch dünkt, Mutter“, antwortete Jofrid, feuerrot im Gesicht.
Als Kristin sich die Bettler angesehen hatte, bereute sie ihr Angebot fast wieder - so ganz unberechtigt war es doch nicht, daß die junge Frau keine Lust hatte, diese Leute über Nacht auf dem Hof zu behalten. Gaute und das Gesinde waren auf den weiter entfernten Grundstücken oben beim Sils-See und sollten zur Nacht nicht heimkommen; Jofrid war allein daheim mit ein paar armen Leuten, die reihum auf den Höfen lebten, zwei alten Leuten und zwei Kindern, und Kristin und ihre Magd waren in der Altstube. Und so vielerlei Leute Kristin schon unter den fahrenden Bettlern gesehen hatte - diese gefielen ihr nicht. Vier von ihnen waren große und starke junge Männer; darunter drei rothaarige mit kleinen wilden Augen; diese schienen Brüder zu sein; aber der vierte, dem einmal beide Nasenlöcher aufgeschlitzt worden waren und dem die Ohren fehlten, sprach gebrochen, als stamme er aus einem fremden Land. Außer ihnen waren noch zwei alte Leute dabei, ein kleiner krummer Kerl, Gesicht, Haar und Bart gelbgrün vor Schmutz und vor Alter, der Bauch geschwollen wie von irgendeiner Krankheit, er ging auf Krücken, und ein altes Weib, mit einem Kopftuch, das von Blut und Eiter strotzte, Hals und Hände voller Wunden. Kristin schauderte, wenn sie daran dachte, daß dieses Weib dem kleinen Erlend nahe kommen könnte.
Trotzdem war es um dieser jammervollen alten Leute willen doch gut, daß die Schar nicht während der Nacht tiefer ins Gebirge hineinwandern mußte.
Die Bettler benahmen sich jedoch ganz friedlich, einmal, als der Ohrenlose versuchte, Ingrid anzufassen, während sie ihnen am Tisch aufwartete, sträubte Björn sofort das Fell und knurrte. Im übrigen machten sie einen mutlosen und müden Eindruck -sie hätten viel ausgestanden und wenig geerntet, antworteten sie auf die Frage der Hausfrau, in Nidaros würde es wohl besser sein.
Das Weib freute sich sehr, als Kristin ihr ein Bockshorn mit einer guten Salbe aus reinstem Lammfett und dem Wasser kleiner Kinder schenkte, aber als Kristin sich erbot, ihr das Kopftuch in warmem Wasser aufzuweichen und zu waschen und ihr ein neues, reines Tuch zu schenken, wollte sie das nicht zulassen - ja, das Tuch nahm sie gerne an.
Trotzdem überließ Kristin Ingrid, der jungen Magd, den innersten Platz im Bett. Ein paarmal knurrte Björn im Laufe der Nacht, aber im übrigen war alles still. Kurz nach Mitternacht lief der Hund zur Türe und stieß ein paarmal ein kurzes Gebell aus - Kristin hörte jemand auf den Hofplatz einreiten und verstand, daß Gaute heimkam. Jofrid hatte wohl nach ihm gesandt.
Am nächsten Morgen gab Kristin den Bettlern reichlich Mundvorrat mit, und diese waren kaum viel weiter als bis durch das Hofgatter hinausgekommen, als sie sah, daß Jofrid und Gaute ihre Schritte auf ihre Stube zulenkten.
Sie setzte sich hin und nahm ihre Spindel zur Hand, begrüßte ihre Kinder freundlich, als sie hereinkamen, und fragte Gaute nach dem Heu; Jofrid zog schnuppernd die Luft ein - die Gäste hatten einen scharfen Geruch in der Stube hinterlassen. Aber die Schwiegermutter tat so, als sehe sie es nicht. Gaute drehte und wand sich hin und her, es fiel ihm sichtlich schwer, sein Anliegen vorzubringen. Da ergriff Jofrid das Wort:
„Es handelt sich um eine Sache, Mutter, über die wir meiner Meinung nach uns aussprechen müssen. Ich begreife, daß Ihr findet, ich sei engherziger, als es sich Euerer Ansicht nach für die Hausfrau auf Jörundhof geziemt. Ich weiß, daß Ihr das meint, und Ihr meint auch, ich verringere dadurch Gautes Ehre. Nun will ich ja nicht davon reden, daß ich mich gestern abend fürchtete, diese Schar aufzunehmen, weil ich allein mit meinem
Kind und einigen Gemeindearmen auf dem Hof war, denn ich sah, daß Ihr dies verstandet, gleich nachdem Ihr Euere Gäste näher betrachtet hattet. Aber ich habe auch früher schon bemerkt, Euch dünkt, ich sei geizig mit dem Essen und
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