Kristin Lavranstochter 2
hat alles gehalten, was er seinerzeit versprach, als ich in seine Dienste trat - er nennt mich Verwandter und Freund. Ich nehme auf seinem Hof ungefähr die gleiche Stellung ein, wie Ulv sie bei uns daheim hatte...“ Er lachte; es stand seinem mißhandelten Gesicht schlecht.
Aber er besaß den schönsten Körper, jetzt, da er voll erwachsen war - er trug eine Tracht nach neumodischem Schnitt, enge Hosen und ein knappes kurzes Wams, das nur bis auf die Mitte der Schenkel reichte und vorne bis ganz hinunter mit kleinen Messingknöpfen geschlossen war, und dies ließ die geschmeidige Kraft des Körpers beinahe unschicklich stark hervortreten. Es sieht aus, als gehe er in Unterkleidern, dachte die Mutter. Aber die Stirn und die schönen Augen waren nicht verändert.
„Mir ist, als bedrücke dich etwas, Skule“, wagte die Mutter endlich zu sagen.
„Nein, nein, nein.“ Es sei nur das Wetter, sagte er und schüttelte sich. Der Nebel war seltsam rotbraun durchleuchtet, dadurch, daß dahinter die Sonne unsichtbar unterging. Die Kirche oben über den Baumkronen des Gartens stand merkwürdig und dunkel und verschwommen in einem leberroten Nebel. Sie hätten wegen der Windstille durch den ganzen Fjord rudern müssen, sagte Skule, dann schüttelte er sich ein wenig in seinen Kleidern und erzählte mehr von den Brüdern.
Er hatte im Frühjahr für Herrn Bjarne im Süden einen Auftrag zu erledigen gehabt, so daß er von Ivar und Gaute ganz neue Nachrichten bringen konnte, denn er war durch das Land hinaufgeritten und von Vaage über das Gebirge ins Westland heimgekehrt. Ivar lebte gut; sie hatten zwei kleine Söhne auf Rognheim, Erlend und Gamal, schöne Kinder.
„Aber auf Jörundhof kam ich gerade recht zum Kindelbier -und Jofrid und Gaute meinten, da Ihr nun von der Welt abgeschieden wäret, so könnten sie dem kleinen Mädchen Eueren Namen geben. Jofrid ist so stolz darauf, Euch zur Schwiegermutter zu haben - ja, Ihr lacht darüber, aber nun, da ihr nicht mehr beieinander wohnen müßt, werdet Ihr begreifen, daß Jofrid merkt, wie schön es klingt, wenn sie von ihrer Schwiegermutter, Kristin Lavranstochter, spricht. Ich aber gab Kristin Gautestochter meinen besten Ring, denn sie hatte so schöne Augen, daß ich fast glaube, sie wird Euch ähnlich werden ..."
Kristin lächelte schwermütig.
„Du wirst es noch erreichen, mein Skule, daß ich glaube, meine Söhne halten mich für so tüchtig und hervorragend, wie alte Leute gewöhnlich erst dann werden, wenn sie unter der Erde sind.“
„Sprich nicht so, Mutter“, sagte der Mann seltsam heftig. Dann lachte er ein wenig, „Ihr wißt sehr wohl, wir Brüder alle meinten, schon seit wir die ersten Hosen trugen, daß Ihr die beste und hochgesinnteste Frau seid - obgleich Ihr uns manchmal hart unter Euere Schwingen zwangt, und darum schlugen wir vielleicht auch ein wenig hart um uns, ehe wir aus dem Nest kamen ... Darin aber bekamt Ihr wirklich recht, daß Gaute am meisten von uns Brüdern zum Anführer geboren war“, sagte er laut lachend.
„Du brauchst mich deshalb jetzt nicht zu verspotten, Skule“, sagte Kristin, und er sah, daß die Mutter jung und fein errötete, aber da lachte er noch mehr.
„Es ist wahr, Mutter - Gaute Erlendssohn auf Jörundhof ist ein mächtiger Mann in den nördlichen Tälern geworden. Er erwarb sich bei seinem Brautraub einen gar großen Ruf!“ Skule lachte aus vollem Halse, und dies stand seinem entstellten Mund schlecht. „Sie singen eine Weise davon, ja, da singen sie nun, daß er die Maid mit Eisen und mit Stahl raubte und daß er drei volle Tage mit ihren Verwandten auf dem Berge kämpfte. Und das Fest, das Herr Sigurd auf Sundbu feierte, und den Vergleich, den er mit Gold und Silber zwischen den Verwandten zustande brachte, auch dafür gibt man Gaute in diesem Lied die Ehre; aber es scheint weiter nicht viel zu schaden, daß es Lüge ist: Gaute herrscht über die ganze Gemeinde und noch ein wenig mehr - und Jofrid herrscht über Gaute ...“
Kristin schüttelte mit einem kleinen traurigen Lächeln den Kopf. Aber sie wurde jung im Gesicht, während sie Skule betrachtete. Jetzt schien er dem Vater am meisten zu gleichen; der junge Krieger mit dem verunstalteten Gesicht besaß trotzdem am meisten von Erlends frischem Lebensmut - und daß er so frühzeitig schon sein Schicksal in seine eigenen Hände hatte nehmen müssen, hatte ihm eine kühle Festigkeit verliehen, die dem Herzen der Mutter ein seltsam sicheres Gefühl
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