Kristin Lavranstochter 2
sehr gutgläubig, gleichviel, ob ihre Untergebenen Gutes über sich selber oder Schlechtes über ihren Nachbarn sprachen - und dann dachte Kristin immer voller Zorn an die vielen Male, da sie gehört hatte, wie gottlose Menschen, ja sogar ein Bettelmönch wie Bruder Arngrim, die Nonnenklöster Klatschnester schimpfte und den Schwestern nachsagte, sie verschlängen Gerüchte und unzüchtige Reden mit wahrer Gier. Sogar dieselben Leute, die hierherkamen und Frau Ragnhild oder jeder Schwester, die sie nur zu fassen bekamen, die Ohren voll jammerten, machten untereinander den Nonnen Vorwürfe, daß sie, wenn sie allein seien, über jene Dinge sprächen, die von der Welt, der sie selbst entsagt hatten, zu ihnen hereindrängen. Es dünkte sie das gleiche wie mit dem Geschwätz von dem Wohlleben der Klosterfrauen - es entstand durch Leute, die gar oft einen guten Bissen aus der Hand der Schwestern empfangen hatten, während die Dienerinnen Gottes fasteten, wachten, beteten und arbeiteten, ehe sie sich alle zu der ersten feierlichen Mahlzeit im Refektorium versammelten.
So diente denn Kristin den Nonnen mit liebevoller Ehrfurcht in der Zeit, die ihrer Weihe zur Nonne vorausging. Eine gute Nonne könnte sie wohl nie werden, dachte sie, dazu hatte sie ihre Fähigkeit zur Sammlung und zur Frömmigkeit allzusehr vergeudet, aber sie wollte so demütig und treu werden, wie Gott es in seiner Gnade nur zulassen wollte. Es war zu Ende des Sommers im Jahre 1349, sie hatte jetzt zwei Jahre im Kloster zu Rein gelebt und sollte noch vor Weihnachten als Nonne' aufgenommen werden. Man brachte ihr die Freudenbotschaft, daß ihre beiden Söhne im Gefolge des Abtes Johannes zu ihrer Weihe ins Kloster kommen würden. Bruder Björgulv hatte gesagt, als er von dem Vorsatz seiner Mutter hörte:
„Jetzt geht mein Traum in Erfüllung; ich habe in diesem Jahr zweimal geträumt, daß wir beide sie noch vor Weihnachten sehen würden - obgleich, genauso, wie es im Traum war, kann es nicht werden, denn in meinem Traum sah ich sie.“
Auch Bruder Nikulaus hatte große Freude geäußert. Gleichzeitig aber erfuhr sie noch andere Dinge über ihn, die nicht gut waren. Er war mit Gewalt gegen einige Bauern drinnen bei Steinker vorgegangen - diese Bauern lagen im Streit mit dem Kloster wegen eines Fischrechts, und als die Mönche sie eines Nachts dabei ertappten, wie sie im Begriff waren, die Lachstreppe des Klosters zu zerstören, hatte Bruder Nikulaus einen Mann verprügelt und einen anderen in den Fluß geworfen und gleichzeitig durch derbes Fluchen und Schelten große Sünde auf sich geladen.
7
Ein paar Tage darauf ging Kristin mit einigen der Nonnen und Laienschwestern in den Kiefernwald, um Holzflechte zum Grünfärben zu sammeln. Diese Flechte ist ziemlich selten und wächst hauptsächlich auf umgestürzten Bäumen und dürren Zweigen. Die Frauen zerstreuten sich bald im Wald und verloren im Nebel einander aus den Augen.
Dieses seltsame Wetter dauerte nun schon seit mehreren, Tagen - es herrschte Windstille und ein dichter Nebel, der über dem Meer und gegen die Berge hin merkwürdig bleigrau schimmerte, wenn er sich zuweilen so weit hob, daß man ein wenig über das Land hinschauen konnte. Dann wieder verdichtete er sich zu einem Sprühregen, oder er leuchtete so stark, daß dort, wo die Sonne zwischen den Nebelschwaden stand, ein weißer Fleck sichtbar wurde. Beständig aber herrschte eine merkwürdig schwere Badestubenwärme, die hier unten im Fjord und noch dazu um diese Jahreszeit - es war zwei Tage vor Mariä Geburt - so erstaunlich war, daß alle Leute über das Wetter redeten und sich fragten, was dies bringen würde.
Kristin schwitzte in der toten feuchten Wärme, und der Gedanke an die Nachrichten, die sie über Naakkve erhalten hatte,
beengte ihre Brust. Sie war an den Rand des Waldes gelangt, bis zur Einfriedung bei dem Weg vom Meer herauf, und während sie dort stand und das Moos vom Zaun abschabte, kam Sira Eiliv auf dem Heimweg durch den Nebel vorübergeritten. Er hielt sein Pferd an und sagte einige Worte über das Wetter, und so kamen sie miteinander ins Gespräch. Da fragte sie den Priester, ob er etwas von diesen Nachrichten über Naakkve wisse - obgleich sie sich schon dachte, daß es vergeblich sein würde; Sira Eiliv gab sich stets den Anschein, als wisse er nichts von den inneren Angelegenheiten im Kloster auf Tautra.
„Ich glaube, Kristin, du brauchst keine Angst zu haben, daß er um dieser Sache willen im Winter nicht
Weitere Kostenlose Bücher