Kristin Lavranstochter 2
absperren, obgleich die Mönche im Mikkalskloster mit dem Bann drohten. Es kam ein englisches Schiff, das die Krankheit an Bord hatte, und er verweigerte den Leuten, die Ladung zu löschen oder von Bord zu gehen; alle auf dem Schiff starben, und er ließ es versenken. Aber ein Teil der Ladung war bereits an Land geschafft worden, und einige Leute aus der Stadt schmuggelten eines Nachts noch mehr von Bord herein - und die Brüder bei der Jonskirche forderten, daß die Sterbenden getröstet würden. Als dann die Leute überall in der ganzen Stadt zu sterben begannen, so daß alles nutzlos war, begriffen wir. Jetzt ist kein Lebewesen mehr in der Stadt, außer den Männern, die die Leichen tragen - alle, die noch fliehen können, verlassen die Stadt, aber die Seuche geht mit ihnen ...“
„O Jesus Christus!“
„Mutter - wißt Ihr noch das letzte Lemmingjahr daheim in Sil? Jene Lawine, die alle Wege und Stege überschwemmte, wißt Ihr noch, wie sie in jedem Busch lagen und verfaulten und alle Brunnen und Bäche mit Gestank und Ansteckung vergifteten?“ Er ballte die Hände; die Mutter überlief ein Schauder.
„Herr, erbarme dich über uns alle! Gelobt sei Gott und die Jungfrau Maria, daß du uns hier heraufgesandt wurdest, mein Skule.“
Der Mann knirschte im Dunkeln mit den Zähnen.
„So sagten auch wir, meine Leute und ich, an jenem Morgen, da wir die Segel hißten und durch die Bucht hinausfuhren. Als wir nach Norden in den Moldösund kamen, erkrankte der erste. Nachdem er gestorben war, banden wir ihm Steine an die Füße und ein Kreuz auf die Brust, gelobten ihm eine Seelenmesse, wenn wir nach Nidaros kämen, und warfen die Leiche ins Meer - Gott möge uns das verzeihen. Mit den beiden nächsten gingen wir an Land und trugen Sorge für Seelenhilfe und ein christliches Begräbnis - seinem Schicksal kann einer doch nicht entfliehen. Der vierte starb, als wir in den Fluß hineinruderten, und der fünfte heute nacht...“
„Ist es notwendig, daß du zur Stadt zurückfährst?“ fragte die Mutter nach einer Weile. „Kannst du nicht hierbleiben?“
Skule schüttelte den Kopf, lachte freudlos.
„Oh, ich denke, es wird bald gleichgültig sein, wo man sich aufhält. Unnütz ist es, sich zu fürchten - wer sich fürchtet, ist schon halb gestorben. Aber wollte Gott, ich wäre so alt wie Ihr, Mutter!“
„Keiner weiß, was dem erspart bleibt, der in jungen Jahren stirbt“, sagte die Mutter leise.
„Schweigt, Mutter! Denkt an die Zeit, da Ihr selber dreiundzwanzig Winter alt wart - und wolltet Ihr etwa eines der Jahre missen, die Ihr seitdem gelebt habt?“
Vierzehn Tage darauf sah Kristin zum erstenmal einen Pestkranken. Die Gerüchte davon, daß die Todesseuche in Nidaros herrsche und sich in den Tälern ausbreite, waren bis nach Rissa vorgedrungen - auf welche Weise, war unerklärlich, denn die Leute hielten sich daheim, und jeder floh in den Wald und ins Dickicht hinaus, wenn er einen unbekannten Wanderer auf dem Weg sah; keiner öffnete fremden Leuten seine Türe!
Aber eines Morgens kamen zwei Fischer zum Kloster herauf und trugen in einem Segel zwischen sich einen Mann; als sie bei Tagesanbruch zu ihrem Boot hinuntergekommen waren, hatten sie einen fremden Kahn am Bollwerk vorgefunden, und in diesem lag der Mann, besinnungslos - er hatte gerade noch vermocht, sein Boot zu vertäuen, es aber nicht mehr verlassen können. Der Mann war auf einem Hof geboren, der dem Kloster unterstand, aber seine Sippe war aus dem Tal weggezogen.
Der Sterbende lag auf dem nassen Segel mitten auf dem Rasen des Hofplatzes, die Fischer standen weit von ihm entfernt, im Gespräch mit Sira Eiliv. Die Laienschwestern und Dienerinnen waren in die Häuser geflohen, die Nonnen jedoch standen zu einem Haufen zusammengedrängt bei der Tür zur Konventsstube - eine Schar zitternder, aufgeschreckter und verzweifelter alter Frauen.
Da trat Frau Ragnhild vor. Sie war eine kleine, magere alte Frau mit einem breiten und flachen Gesicht und einer kleinen, runden roten Nase, die wie ein Knopf aussah; ihre großen hellbraunen Augen waren rot gerändert und tropften stets ein wenig.
„ln nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sandi“ *, sagte sie mit klarer Stimme und schluckte dann einmal hinunter. „Tragt ihn ins Gästehaus ...“
Und Schwester Agata, die älteste der Nonnen, bahnte sich mit den Ellbogen einen Weg durch die Schar der anderen und folgte ungeheißen der Äbtissin und den Männern, die den Kranken trugen.
Kristin kam
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