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Kristin Lavranstochter 2

Titel: Kristin Lavranstochter 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Undset
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Empfindung, daß Ulv Haldorssohn ihren Rücken gegen das schwarze und lebendige Grauen deckte, von dem sie sich entfernten - das immer schwächer und schwächer brauste.
    Als sie den Rand des Kiefernwaldes erreichten, wurden sie Lichterschein gewahr. „Sie kommen uns entgegen“, sagte Ulv.
    Gleich darauf stießen sie auf eine große Schar Männer, die Kienfackeln und ein paar Windlichter trugen und eine Bahre, mit einem Leichentuch bedeckt - Sira Eiliv war bei ihnen, und staunend erkannte Kristin, daß sich in seinem Gefolge mehrere jener Männer befanden, die vorher in dieser Nacht auf dem Kirchhof gewesen waren, viele von ihnen weinten. Als man die Bürde von ihren Schultern hob, war Kristin nahe daran, umzufallen. Sira Eiliv wollte sie stützen, da sagte sie rasch:
    „Rührt mich nicht an - kommt mir nicht zu nahe — ich habe jetzt selbst die Seuche, das fühle ich ..
    Aber Sira Eiliv griff ihr trotzdem stützend unter die Arme.
    „Da soll es dir ein Trost sein, Frau, daran zu denken, daß Unser Herr gesagt hat: Was du einem seiner geringsten Brüder oder Schwestern getan hast, das hast du Ihm selbst getan.“
    Kristin starrte den Priester an. Dann blickte sie weg, dorthin, wo die Männer im Begriff waren, die Leiche von der Bahre, die Ulv gemacht hatte, auf die Totenbahre zu legen. Ulvs Umhang glitt ein wenig zur Seite - die Spitze eines abgetretenen Schuhs kam hervor, dunkelfeucht im Schein der Kienfackeln.
    Kristin ging hin, kniete zwischen den Stangen der Bahre nieder und küßte den Schuh.
    „Gott sei dir hold, Schwester - Gott erfreue deine Seele in seinem Licht - Gott sei barmherzig gegen uns alle hier in der Finsternis ..."
    Dann glaubte sie, das Leben reiße sich aus ihrem Körper -ein stechender, unausdenkbarer Schmerz, wie wenn etwas Innerliches, bis in die äußersten Spitzen ihres Körpers Verwurzeltes losgerissen würde. Alles, was in ihrer Brust war, wurde herausgerissen, sie fühlte ihren Hals voll davon, ihr Mund füllte sich mit Blut, das nach Salz und schmutzigem Kupfer schmeckte, im nächsten Augenblick war ihr ganzes Gewand vorne von einer dunklen Flüssigkeit feuchtglänzend - Jesus, hat ein altes Weib noch so viel Blut, dachte sie.
    Ulv Haldorssohn hob sie in seine Arme auf und trug sie.
    In der Klosterpforte kamen die Nonnen mit brennenden Lichtern in den Händen dem Zug entgegen, auch jetzt war Kristin nicht ganz bei Besinnung, aber sie fühlte, daß sie durch die Pforte halb getragen und halb gestützt wurde, und der weißgekalkte, gewölbte Raum füllte sich mit dem flackernden Schein gelber Lichtflammen und roter Kienfackeln, und die Fußtritte dröhnten wie ein Meer - aber für die Sterbende war dies ein Widerschein ihres eigenen zusammensinkenden Lebensfeuers, und der Laut der Schritte auf den Fliesen schien wie das Brausen des Todesstromes, der zu ihr heraufstieg.
    Dann verbreitete sich der Lichtschein in einem weiteren Raum, sie war wiederum unter offenem dunklem Himmel - im Hofplatz -, der Lichtschein spielte an einer grauen Steinwand mit mächtigen Strebepfeilern und hohen Fensteröffnungen empor - die Kirche. Sie wurde von irgendwelchen Armen getragen - wiederum war es Ulv, aber jetzt wurde er für sie wie eins mit all denen, die sie durchs Leben emporgetragen hatten. Als sie die Arme um seinen Nacken legte und ihre Wange an seinen bärtigen Hals drückte, war es, als sei sie wieder das Kind bei ihrem Vater, aber es war auch so, als drücke sie ein Kind an sich. Und hinter seinem dunklen Kopf waren rote Lichter, und diese dünkten sie wie der Schein jenes Feuers, das alle Liebe nährt.
    Ein wenig später schlug sie die Augen auf und war bei voller klarer Besinnung. Sie saß aufgestützt in einem Bett im Dormitorium, eine Nonne stand über sie gebeugt, die untere Hälfte des Gesichts durch eine Leinenbinde verdeckt, Kristin verspürte den Essiggeruch. Es war Schwester Agnes, das erkannte sie an den Augen und an der kleinen roten Warze, die sie auf der Stirne hatte. Und jetzt war es Tag - klares graues Licht strömte durch die kleinen Scheiben in den Raum herein.
    Kristin litt jetzt nicht - sie war nur durchnäßt von Schweiß, entsetzlich matt und müde, und wenn sie atmete, fühlte sie ein Stechen und einen Schmerz in der Brust. Gierig trank sie den Labetrunk, den Schwester Agnes ihr an den Mund hielt. Aber sie fror.
    Sie legte sich in die Kissen zurück, und jetzt erinnerte sie sich an alles, was sich während der Nacht zugetragen hatte. Aber der Widerschein des wilden

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