Kristin Lavranstochter 2
wie vorher. Sein Herz hämmerte so laut, daß er kaum zu sprechen vermochte.
Im Dunkeln kroch Erlend lautlos wie ein Schatten zwischen die Felle, ganz außen auf dem Bett, und legte sich hin, still wie ein Waldtier. Simon war es, als müsse er daran ersticken, daß er den anderen in seinem Bett haben mußte.
6
Jedes Jahr in der Osterwoche hielt Simon Andressohn für die Bewohner des Tales ein Biergelage ab. Da kamen alle am dritten Tag nach der Messe nach Formo und blieben bis zum Donnerstag da.
Kristin hatte nie viel Gefallen an diesen Gastgelagen gefunden. Je mehr Lärm und Getöse bei diesem Gelage herrschte desto lieber schien es Simon und Ramborg zu sein. Simon bat seine Gäste stets, ihre Kinder, das Gesinde und die Kinder des Gesindes mitzubringen, alles, was nur von daheim Weggehen könne. Am ersten Tage ging es noch still und ruhig zu; da führten nur die Vornehmen und die Älteren die Unterhaltung, während die Jugend zuhörte und aß und trank und die kleinen Kinder meist in einem anderen Haus untergebracht waren. Am zweiten Tag aber ging der Hausherr schon vom frühen Morgen an umher und redete dem jungen Volk und den Kindern zu, zu trinken und lustig zu werden, und dann wurden gerne in kurzer Zeit die Späße so wild und übermütig, daß die Frauen und jungen Mädchen in die Winkel flohen, dort aneinandergedrückt standen und kicherten, auf dem Sprung, wieder davonzulaufen, viele der angeseheneren Hausfrauen aber sich in Ramborgs Frauenstube begaben, wohin die Mütter ihre kleinsten Kinder bereits aus dem Getümmel in der Großstube gerettet hatten.
Ein Spiel, das die Männer besonders liebten, bestand in einer Nachahmung des Things - sie verlasen Vorladungen, brachten Klagen vor und verkündeten Gesetze und Urteilssprüche, dabei aber verdrehten sie die Worte und sagten alles verkehrt. Audun Torbergssohn verlas König Haakons Brief an die Kaufleute in Björgvin: was sie für Männerhosen und was sie für das Vorleder bei Frauenschuhen verlangen durften, und über jene Männer, die Schwerter machten und große und kleine Schilde -aber er warf die Worte durcheinander, so daß nichts als zweideutiges und liederliches Geschwätz daraus wurde. Dieses Spiel endete stets damit, daß kein Mensch mehr darauf achtgab, welche Worte er in den Mund nahm. Kristin erinnerte sich aus ihrer Kindheit, daß ihr Vater es zwar nie hatte dulden wollen, wenn der Scherz sich zum Spott mit dem, was zum Gottesdienst und der Kirche gehörte, verwandelte, daß aber Lavrans doch selbst viel Vergnügen daran fand, wenn er und seine Gäste sich darin überboten, auf Tische und Bänke zu springen und dabei mit lachender Stimme allerhand groben, unhöfischen Unsinn hinauszurufen.
Im übrigen mochte Simon am besten solche Spiele leiden, bei denen man einem Mann die Augen verband und er nach einem Messer in der Asche suchen mußte oder bei denen zwei andere mit dem Mund Honigkuchenstücke aus einem großen Bierbottich herausfischen mußten. Die Gäste versuchten sie dann zum Lachen zu reizen, so daß das Bier nach allen Seiten spritzte.
Oder sie sollten mit den Zähnen einen Ring aus einem Mehlfaß holen. Da sah dann die Stube bald wie ein Schweinestall aus.
Dieses Jahr brachte das Osterfest ein ganz wunderbar schönes Frühlingswetter. Am Mittwoch herrschte vom frühen Morgen an klarer Sonnenschein und Wärme, und schon gleich nach dem Morgenimbiß ging alles auf den Hofplatz hinaus. Statt nun ihr Unwesen zu treiben, begann die Jugend ein Ballspiel, oder sie schossen nach Scheiben und zogen am Tau, danach spielten sie Blindekuh und anderes, und dann überredeten sie Geirmund von Kruke zum Singen und Harfespielen - da kamen bald alle, jung und alt, zum Tanz herbei. Auf den Äckern lag noch Schnee, aber der Erlenwald war von all den Knospen schon braun gefärbt, und die Sonne schien warm und schön auf jeden schneefreien Fleck. Als die Leute nach der Abendmahlzeit herauskamen, klang von allen Seiten lauter Vogelsang - und so errichteten sie auf dem Rasen vor der Schmiede einen Scheiterhaufen und sangen und tanzten bis tief in die Nacht hinein. Am nächsten Morgen blieben die Leute lange liegen und brachen später vom Hof auf als gewöhnlich. Die Leute von Jörundhof pflegten als letzte wegzuziehen - und Simon gelang es, Erlend und Kristin zu überreden, bis zum nächsten Tag zu bleiben. Denn auch die Leute von Kruke sollten bis Ende der Woche auf Formo bleiben.
Simon hatte die letzte Schar seiner Gäste zum Hauptweg
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