Kristin Lavranstochter 2
mehr als einer auf einmal herausgekonnt. Und dann ist es erstaunlich, wie schnell die Leute meist ihren Verstand wiederfinden, wenn sie unter offenen Himmel gelangen. Es dünkt mich fast wie ein Wunder, daß außer diesem einen nicht noch mehr umgebracht wurden.“
Er fragte ein paarmal nach Simons Wunden. Der andere sagte, er spüre nicht sonderlich viel davon - obwohl sie ihn gehörig brannten.
Sie erreichten Formo spät am Abend, und Erlend trat mit dem Schwager ein. Er hatte ihm geraten, dem Vogt gleich am nächsten Tag schon ein Schreiben über das Ereignis zu senden um die Angelegenheit mit seinem Schutzbrief bis zum Gerichtsverfahren so bald als möglich geordnet zu haben. Erlend wollte den Brief gern noch heute abend für Simon aufsetzen - die Wunden an der Brust würden den Schwager wohl am Schreiben hindern. „Und morgen mußt du schön still in deinem Bett liegenbleiben, du wirst wohl ein wenig Wundfieber bekommen ..
Ramborg und Arngjerd saßen noch auf und warteten. Der Kälte wegen waren sie auf die Bank an der warmen Herdseite hinaufgekrochen und hatten die Füße hochgezogen - zwischen ihnen lag ein Spielbrett, sie sahen aus wie zwei Kinder.
Simon hatte kaum einige Worte über das Geschehene hervorgebracht, als die junge Frau auf ihn zuflog und die Arme um seinen Hals schlang. Sie zog sein Gesicht zu dem ihren herab, drückte ihre Wange an die seine - und sie preßte Erlends Hand so sehr, daß er lachend meinte, er hätte nie geglaubt, daß Ramborg soviel Kraft in den Händen habe.
Sie wollte um jeden Preis, daß ihr Mann die Nacht hier in der Stube verbringe, und wollte selbst bei ihm wachen. Sie bat fast weinend darum - dann erbot sich Erlend, hierzubleiben und bei Simon zu schlafen, wenn sie nach Jörundhof eine Nachricht senden wollte, es sei ohnehin schon spät für ihn zum Heimreiten. „Und es ist schade um Kristin, wenn sie bei dieser Kälte so lange aufbleibt - auch sie wartet immer selbst auf mich; gute Hausfrauen seid ihr Lavranstöchter ...“
Während die Männer aßen und tranken, saß Ramborg da und schmiegte sich an ihren Mann. Simon streichelte dann und wann ihren Arm und ihre Hand - er war ein wenig verlegen und zugleich auch ziemlich bewegt darüber, daß sie soviel Angst und Liebe bezeigte. Simon schlief jetzt während der Langen Fasten in der Saemundsstube, und als die Männer dort hinübergingen, ging Ramborg selbst mit und stellte einen großen Kessel mit Honigbier zum Wärmen auf die Herdst,eine.
Die Saemundsstube war eine uralte kleine Feuerstube, warm und dicht - die Balken waren so riesig, daß es ihrer nur vier Stämme zu einer Wand brauchte. Jetzt war es hier kalt, Simon aber warf einen gehörigen Haufen Kienholz aufs Feuer und jagte den Hund in sein Bett - der sollte dort liegen und es für die beiden Männer vorwärmen. Sie zogen den Kubbestuhl und 'die Lehnbank dicht ans Feuer heran und machten sich’s behaglich, denn sie waren von dem Ritt bis ins Innerste erfroren, und die Mahlzeit in der Großstube hatte sie nur halb aufgetaut.
Erlend schrieb den Brief für Simon. Dann begannen sie ihre Kleider zu öffnen - als Simon die Arme heftiger bewegte und seine Wunden wieder zu bluten anfingen, half ihm der Schwager, den Kittel über den Kopf zu streifen und die Stiefel von den Füßen zu ziehen. Erlend schleppte sein verwundetes Bein selbst etwas nach - es sei ein wenig steif und empfindlich nach dem Ritt, erklärte er, aber dies habe nichts zu bedeuten. Und dann ließen sie sich wieder am Feuer nieder, halb ausgezogen - jetzt war es hier gut und warm, und im Kessel hatten sie noch ziemlich viel Bier.
„Du nimmst es viel zu schwer, Schwager, das merke ich“, sagte Erlend einmal. Sie hatten eine Weile dagesessen, halb schlafend, und ins Feuer geblickt. „Viel verliert die Welt ja nicht an diesem Holmgeir ..."
„Dieser Meinung wird Sira Moises nicht sein“, sagte Simon leise. „Er ist ein alter Mann und ein guter Priester . . .“
Erlend nickte ernsthaft.
„Unheimlich ist es, sich zum Feind eines solchen Mannes gemacht zu haben, besonders, da er so nahe wohnt. Und außerdem weißt du, ich habe oft dort in der Gemeinde zu tun ..."
„Ach - aber so etwas kann einem ja so leicht zustoßen, jedem von uns. Sie werden dich wohl zu einer Buße von zehn bis zwölf Mark in Gold verurteilen. Ja, und du weißt, Bischof Halvard ist ein strenger Herr, wenn er einem Gewalttäter die Beichte abnimmt - und der Vater des jungen Burschen ist einer seiner Priester. Aber du
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