Kristin Lavranstochter 2
wirst alles miteinander überstehen.“ Simon sagte nichts. Erlend fing wieder an:
„Auch ich werde wohl Schmerzensbußen zahlen müssen“, er lächelte vor sich hin, „und ich besitze von Norwegens Erde nicht mehr als diesen Hof auf Dovre ..."
„Wie groß ist der Hof Haugen?“ fragte Simon.
„Ich erinnere mich nicht genau - es steht in der Urkunde. Aber die Leute, die die Erde dort bebauen, ernten nur ein wenig Heu. Niemand will dort wohnen - die Häuser sollen einfach verfallen, habe ich gehört, du weißt, die Leute sagen, meine Muhme und Herr Björn gingen dort nach ihrem Tode um. Im übrigen weiß ich, daß ich für das Tagewerk heute bei meiner Frau Dank ernten werde. Kristin hat dich so gern, Simon als wärest du ihr eigener Bruder.“
Simon lächelte fast unmerklich, wie er so im Schatten saß. Er hatte den Kubbestuhl ein wenig zurückgezogen und schützte seine Augen mit der Hand gegen die Hitze des Feuers. Erlend aber freute sich der Wärme wie eine Katze - er saß dicht an der Herdstätte, in eine Ecke der Bank gedrückt, einen Arm über die Rückenlehne gelegt, und hielt sein verwundetes Bein über die andere Armlehne der Bank ausgestreckt.
„Ja, sie sprach im Herbst einmal so schön davon“, sagte Simon nach einer Weile, es lag fast wie ein spöttischer Klang in seiner Stimme. „Und daß sie eine getreue Schwester ist, das zeigte sie hier im vergangenen Herbst, als unser Sohn krank war“, fuhr er ernsthaft fort - dann aber kam wieder dieser kleine spöttische Ton. „Jetzt, Erlend, haben wir einander die Treue gehalten, wie wir es schworen, als wir unsere Hände in Lavrans’ Hände legten und gelobten, wie Brüder zueinander zu stehen ...“
„Ja“, erwiderte Erlend treuherzig. „Ich, auch ich, Schwager Simon, freue mich dieses Tagewerks.“ Eine Weile saßen sie beide' schweigend da. Dann hielt Erlend gleichsam prüfend dem anderen eine Hand hin. Simon ergriff sie, sie preßten die Finger hart zusammen, ließen los und zogen sich wieder, ein wenig befangen, auf ihre Plätze zurück.
Nach einiger Zeit endlich brach Erlend das Schweigen. Lange hatte er, das Kinn in die Hand gestützt, dagesessen und ins Feuer gestarrt, wo jetzt nur noch dann und wann eine kleine Flamme aufflackerte und über die verkohlten Holzscheiter hinlief, die mit kleinen hellen Seufzern zerbarsten und zusammensanken. Bald waren von dem Feuer nur noch schwarze Kohlen und eine dunkle Glut übrig.
Erlend sagte ganz leise:
„So hochgesinnt hast du dich mir gegenüber erwiesen, Simon Darre, daß ich glaube, nur wenige Männer können es dir gleichtun. Ich - ich habe nicht vergessen ..."
„Schweig! - Du weißt nicht, Erlend... Gott im Himmel allein weiß“, flüsterte er angstvoll und gequält, „was alles in den Gedanken eines Mannes lebt...“
„So ist es“, sagte Erlend ebenso leise und ernsthaft. „Uns allen tut es wohl not - daß er mit Erbarmen über uns urteilt ... Aber ein Mann soll den anderen Mann nach seinen Taten beurteilen, und ich - ich... Gott lohne dir’s, Schwager!“
Von nun an saßen sie völlig still da - wagten sich nicht zu rühren, um von Scham nicht überwältigt zu werden.
Bis Erlend plötzlich seine Hand aufs Knie fallen ließ - ein hitziger blauer Lichtstrahl schoß aus dem Stein des Ringes an seinem rechten Zeigefinger. Simon wußte, daß er ihn von Kristin erhalten hatte, als er aus dem Gefängnisturm gekommen war.
„Aber vergiß nicht, Simon“, sagte er leise, „daß ein altes Wort sagt: Gar mancher Mann erhält das, was einem anderen bestimmt war, niemand aber erhält eines anderen Schicksal.“
Simon hob den Kopf mit einem jähen kleinen Ruck. Langsam stieg Blutröte in sein Gesicht - die Adern in seinen Schläfen traten gleich dunklen knotigen Strängen hervor.
Erlend sah den Schwager einen Augenblick an - nahm rasch seinen Blick wieder zurück. Dann errötete auch er - der seltsam feine und mädchenhafte Hauch breitete sich unter der dunklen Haut aus. Still, scheu und verwirrt saß er da, den Mund ein wenig kindlich geöffnet.
Simon erhob sich heftig, trat zum Bett.
„Du liegst wohl am liebsten an der Außenseite, denke ich“, er versuchte ruhig und gleichgültig zu sprechen, aber seine Stimme zitterte.
„Nein - mach es, wie du willst“, sagte Erlend lahm. Er stand auf. „Das Feuer?“ fragte er verwirrt. „Soll ich Asche darüberscharren?“ Er griff nach dem Schüreisen.
„Sieh zu, daß du fertig wirst - und komm und leg dich schlafen“, sagte Simon
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